Montag, 20. Juni 2022

Rezension: Ich lebe noch - Kate Alice Marshall

Ich lebe noch - Kate Alice Marshall
© Festa Verlag
Ich lebe noch
| Kate Alice Marshall |

Verlag: Festa Verlag 2020
Seiten: 384 
ISBN: 9783865528070

MEINE BEWERTUNG 

 - ★
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Düster, beklemmend, gnadenlos.

Allein der Wildnis Kanadas ausgeliefert, weiß Jess, dass sie dem Tod nahe ist. Sie hat schon richtig Schreckliches erlebt, aber nun erkennt sie, dass sie zerstört werden wird. 

„Ich lebe noch“ von Kate Alice Marshall ist ein unvergleichlicher Thriller, der den:die Leser:in gemeinsam mit Protagonistin Jess in die Wälder Kanadas zieht. Es ist rau, es ist brutal und es ist so spannend, dass man die Luft anhält.

Jess hat ihre Mutter bei einem Autounfall und gleichzeitig ihre körperliche Unversehrtheit verloren. Nach langem Ringen in der Physiotherapie, nach schmerzvollen Monaten, des sich Zurückkämpfens und nach dem Begreifen, dass es kein Zurück in ihr altes Leben gibt, tritt sie die Reise zu ihrem Vater an. Jahrelang hat sie ihn weder gesehen noch gesprochen und findet sich in einer Hütte in den Weiten der kanadischen Wälder wieder. Doch damit nicht genug: Ihr Vater wird vor ihren Augen erschossen, die Hütte niedergebrannt und die Teenagerin jeder Kommunikationsmöglichkeit mit der Zivilisation beraubt. Sie ist allein in der Wildnis, wobei, völlig einsam ist sie nicht. Sie hat Bo, ihren Hund. Und mit ihm gemeinsam geht Jess den Kampf um’s Überleben an.

Vorneweg: Was für ein geniales Buch! Kate Alice Marshall hat sich erneut in mein Leserherz geschrieben. Für mich steht die Autorin für unkonventionelle Romane, die aufregend sind und richtige Angst einjagen.

Der:die Leser:in lernt Jess durch zwei Perspektiven kennen. Einerseits überlebt man mit ihr die Gegenwart, wie sie sich an einem kalten Stein schmiegt und ihr der Durst in der Kehle brennt. Andrerseits kehrt man mit ihr in die vergangenen Wochen und Monate zurück, weil Jess dazu eine Art Tagebuch führt. Darin erzählt sie vom dramatischen Autounfall, ihre Zeit im Krankenhaus, den Schmerzen, der Trauer, den quälenden Emotionen und wie sie zu ihrem Vater in diese abgelegene Wildnis kann.

Das Mädchen steht vor der Herausforderung, völlig allein auf sich gestellt zu überleben, obwohl sie kaum Nahrung, Wasser oder gar eine Unterkunft hat. Nur ihr Hund Bo ist an ihrer Seite, und sie ist sich sicher, dass sie den nahenden Winter weder er- noch überlebt.

Kate Alice Marshall hat mit Jess eine Figur erschaffen, die sich nicht gehen lässt, dennoch ständig an ihre Grenzen stößt. Mir hat ausgezeichnet gefallen, dass sie menschlich dargestellt ist. Sie ist ein normaler Teenager, der vom Überleben in der Natur absolut keine Ahnung hat. Genauso qualvoll wie man es sich vorstellt, sind die Tage und Nächte, die man als Leser:in mit Jess durchlebt. Kleine Erfolge oder Durchbrüche werden von dunklen Ahnungen übermannt. Was, wenn sie krank wird? Nichts mehr zu essen hat? Der Schnee kommt? Oder gar die Männer zurückkommen, die ihren Vater töteten?

"Ich will nicht aufstehen. Ich möchte mich hinlegen und schlafen und mich nicht um die Kälte scheren. Aber ich beiße die Zähne zusammen." (S. 35, eBook)

Die Dynamik durch Jess’ Aufzeichnungen und dem nervenreibenden Überlebenskampf nimmt die Atemluft und bannt an die Seiten, obwohl es vom Geschehen her eher ruhig abläuft. Die Autorin wählt einen beklemmenden Stil, der jede Hoffnung schwinden lässt. Verzweiflung breitet sich aus, es wird schlimmer, es wird fürchterlich, manches Mal gibt es einen lichten Augenblick, der dann wieder in einem lebensbedrohlichen Fiasko endet.

„Die Angst tritt mir in den Magen und ich kann mich nicht dazu überwinden loszulassen.“ (S. 36, eBook)

Es ist ein Überlebenskampf, der im Magen liegt und den ich aufgrund des greifbaren Erzählstils fast körperlich spürte. Die Handlung erinnerte mich an den Film „The Revenant – Der Rückkehrer“ mit Leonardo DiCaprio, weil Jess wirklich nichts auslässt, was weh tun könnte. 

Es gibt ein Detail an der Protagonistin, das ich zu übertrieben fand und welches mit dem Autounfall zusammenhängt. Obwohl mich dieser Punkt anfangs störte, konnte ich mich aufgrund der fesselnden Situation damit arrangieren und sehe der Autorin nach, dass sie es an dieser Stelle, meinem Geschmack nach, zu gut gemeint hat.

Meiner Meinung nach ist „Ich lebe noch“ ein erbarmungsloser Roman, der den Kampf ums Überleben auf ein hohes Spannungslevel führt. Düster, beklemmend, gnadenlos.

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MEINE BEWERTUNG
★★★★★

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4 Kommentare:

  1. Liebe Nicole,
    wow, das hört sich ja mega spannend an! Ich kann deine Begeisterung richtig fühlen. Da muss ich mir die Autorin gleich näher ansehen. Ich kenne noch kein Buch von ihr.
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Hallo Martina,

      die Geschichte ist sehr genial und die Autorin hat einen Stil, der mir einfach gefällt.

      Ich habe auch "Der Geist von Lucy Gallows" von ihr gelesen. Hier glaube ich aber, dass es weniger deins wäre. Das reiht sich eher bei Horror ein.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  2. Huhu Nicole :D

    Das Buch klingt ja echt toll, ich glaube, das habe ich noch als Ebook auf dem Handy. Das war doch auch die Autorin von "Der Geist von Lucy Gallows", oder? Das hatte mich ein wenig zwiegespalten zurückgelassen.

    Aber so ein Survival-Roman klingt schon sehr reizvoll! Mein letzter liegt irgendwie auch schon lange zurück. Ich kann ja auch sehr gut mit den Charakteren mitleiden, haha :D

    Liebe Grüße
    Jessi

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    1. Hallo Jessi,

      ja, genau. Das ist die Autorin. :) "Der Geist von Lucy Gallows" fand ich richtig genial. Das ist mir ziemlich unter die Haut gegangen.
      Ich bin mir aber sicher, dass ihr Stil und ihre Geschichten nicht jedem liegen. Es ist eigen, aber ich liebe es. Bei mir spricht das wohl irgendeinen Nerv oder so an. XD

      Liebe Grüße
      Nicole

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