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© DAV |
| Nils Westerboer |
Verlag: DAV 2025
Dauer: 12 h : 50 min
Dauer: 12 h : 50 min
ASIN: B0DTHX4VZ7
Sprecher: Timmo Niesner, Heike Warmuth
MEINE BEWERTUNG
- ★★★★★-
Zwischen Sternenstaub und Menschlichkeit
Sprecher: Timmo Niesner, Heike Warmuth
MEINE BEWERTUNG
- ★★★★★-
Der zwölfjährige Henry kommt mit seinem Vater und den Geschwistern auf einem neuen Planeten an. Es soll ein Neuanfang werden, der dennoch viele Fehler der Vergangenheit in sich trägt.
In „Lyneham“ verlässt die Menschheit eine sterbende Erde, um auf einem fernen Exomond neu zu beginnen. Der Neuanfang ist alles andere als einfach. Während der zwölfjährige Henry gemeinsam mit dem Vater und seinen Geschwistern auf Perm ankommt, ist seine Mutter längst Teil einer größeren Geschichte geworden. Zwischen giftiger Atmosphäre, bizarrer Flora und schwelenden Machtkonflikten entspinnt sich eine leise, zugleich tiefgründige Science-Fiction-Erzählung über Hoffnung, Verantwortung sowie die Frage, wie weit man gehen darf, um eine bessere Welt zu schaffen.
Zu Science Fiction greife ich nicht besonders häufig, obwohl ich das Genre schätze. „Lyneham“ von Nils Westerboer hat mich aufgrund der vielen lobenden Stimmen neugierig gemacht. Tatsächlich entfaltet sich ein anregendes Gedankenexperiment über die Zukunft der Menschheit, das der Autor in eine atmosphärisch dichte Geschichte gespickt mit philosophischem Tiefgang verpackt.
Perm ist ein faszinierender Ort, aber einer, an dem man nicht leben will. Schon bei der Ankunft wird deutlich, wie lebensfeindlich dieser Exomond ist. Kein Sauerstoff, eine giftige Atmosphäre, extreme Umweltbedingungen und eine Natur, die sich nicht zähmen lässt.
Die Beschreibung des neuen Planeten wirkte auf mich einschüchternd. Ich hatte beim Lesen das Bild eines düsteren, felsigen Mondes vor Augen, dessen Berge weit in den Himmel ragen, während man als Mensch in fragilen Kuppelbauten Schutz sucht. Die Vorstellung, in dieser trostlosen, bizarren Landschaft eine neue Heimat finden zu müssen, war bedrückend. Nils Westerboer entwirft eine kreative Welt, gefüllt mit unsichtbaren Lebensformen und mit befremdlichen Nachtzyklen. Die Schilderung bleibt unaufgeregt und angenehm nüchtern, was gut zum Tonfall des Romans passt.
Erzählt wird die Geschichte aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven. Auf der einen Seite steht Henry, ein zwölfjähriger Junge, der mit seiner Familie auf Perm ankommt. Seine kindliche Sichtweise ist warmherzig, neugierig und voller kleiner Beobachtungen, die mich oft schmunzeln ließen. Es fühlte sich an wie ein Disney-Film an. Dieser Part war weich, etwas versponnen und auf eine kindliche Art naiv. Besonders gefallen hat mir Henrys Ersatzniere Ronny, die ihm nicht nur medizinisch, sondern auch emotional zur Seite steht. Eine schöne Idee, die gleichermaßen skurril wie rührend war.
Auf der anderen Seite erleben wir Mildred, Henrys Mutter, die auf der Erde geblieben ist, um mit neuer Antriebstechnologie früher auf Perm anzukommen. Ihre Perspektive ist das genaue Gegenteil. Sie ist kühl, rational und tief in wissenschaftliche Debatten verwoben. Diese Gegensätze fand ich beeindruckend herausgearbeitet. Wo Henry staunt, analysiert Mildred. Wo Henry Fragen stellt, sucht Mildred nach Lösungen. Beide Sichtweisen greifen ineinander, ergänzen sich und verleihen dem Buch passende Tiefe.
Thematisch setzt sich der Autor mit einer Vielzahl von Fragen auseinander. Der Klimawandel und die Flucht der Menschheit ins All bilden den Ausgangspunkt, dabei werden ethische Konflikte ebenso eingebunden. Wie weit darf man gehen, um einen fremden Planeten bewohnbar zu machen? Welche Verantwortung trägt man gegenüber einer Umwelt, die man kaum kennt? Besonders durch Mildreds Perspektive werden diese Themen greifbar. Sie glaubt daran, das Richtige zu tun und weiß, dass ihre Entscheidungen nicht frei von Konsequenzen für Perm und ihre Angehörigen sind. Aber auch zwischenmenschliche Nähe kommt zur Sprache. Was bedeutet Familie, wenn man von Zeit und Raum getrennt ist? Wie bewahren wir uns Menschlichkeit, in einer Welt, die vollständig technisiert ist?
Dabei stellt der Roman die Frage, ob wir Menschen tatsächlich eine neue Welt verdient haben oder ob wir sie ohnehin wieder an denselben Fehlern zugrunde gehen lassen, die schon unsere alte Heimat zerstörten.
„Lyneham“ ist für mich daher eine Science-Fiction-Erzählung, die anhand interessanter Figuren, des außergewöhnlichen Umfelds und den anregenden Gedanken den bisherigen Werdegang der Menschheit betrachtet und unangenehme Fragen stellt.
Vom Erzählstil her lag die Spannung weniger im Geschehen, sondern in den gegensätzlichen Blickwinkeln. Man pendelt zwischen Henrys kindlicher Wärme und Mildreds wissenschaftlicher Kühle, zwischen dem Wunsch nach einer besseren Welt und der Frage, ob wir überhaupt fähig sind, eine solche zu erschaffen.
Ein paar kleine Abzüge gibt es für das Ende, das sich etwas uneinheitlich und unentschlossen anfühlte. Ich hatte den Eindruck, dass der Roman unbedingt bedeutungsvoll schließen wollte, ohne klar zu sagen, worin diese Bedeutung liegt.
Unterm Strich bleibt eine stille, kluge Erzählung, die mehr fragt, als sie beantwortet. Manchmal ist sie gedanklich fordernd, in einer Welt, die fremd und faszinierend ist. „Lyneham“ ist ein beeindruckender Roman, der zum Nachdenken bringt und mit einem Hauch von Ehrfurcht in die Sterne blicken lässt.
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Schönen guten Morgen Nicole!
AntwortenLöschenIch freu mich, dass dir das Buch insgesamt ja doch sehr gut gefallen hat! Ich fand diese vielen Fragestellungen und vor allem auch den Entwurf dieser fremden Welt sehr genial! In der Sci-Fi geht es ja schon öfter darum, andere Planeten zu besiedeln, aber welche Probleme hierbei auftauchen hab ich noch sie so deutlich gesehen wie hier!
Das Ende, ja, das war schon etwas kurios, aber ich fand es dennoch gut gemacht, auch wenn mir manchmal etwas der Kopf geschwirrt hat, um alles zusammen zu kriegen :)
Ich würde ja gerne mehr in diesem Genre lesen, hab aber noch einige Fantasyreihen auf dem SuB, die Vorrang haben. Wobei die Silo Trilogie ja auch in der Zukunft spielt und ich noch eine weitere Trilogie (also Band 1) auf dem SuB habe, die mir mein Bruder empfohlen hat und die dann in den Weltraum gehen wird. Die steht auf jeden Fall noch dieses Jahr auf dem Plan :)
Liebste Grüße, Aleshanee
Hallo Aleshanee,
Löschenich fand es sehr gut! Zum Schluss hin bin ich zwischen 4 und 5 Sternen geschwankt. Aufgrund des Endes habe ich mich dann doch für die 4 Sterne entschieden.
Ich mag Science Fiction eigentlich recht gern, wenn es darum geht, fremde Planete zu entdecken. Mittlerweile habe ich mich selbst so weit kennengelernt, dass ich wohl eher den wissenschaftlichen Aspekt mehr schätze als das gesellschaftliche Drumherum. Also, für mich war bei "Lyneham" genau die richtige Mischung vorhanden. Ich muss aber schon sagen, dass ich nicht unbedingt danach suche. Wenn mich ein Science-Fiction-Roman anspricht, dann greife ich sehr gerne dazu. Dennoch ist es eben nicht mein übliches Beuteschema. :D
"Silo" habe ich vor Jahren gelesen und fand die Trilogie wirklich sehr gut und recht spannend aufgebaut. Viel Spaß damit, wenn es für dich ins Silo geht. :)
Liebe Grüße
Nicole
Ich suche auch nicht danach, was eigentlich komisch ist, denn ich mag das Genre sehr gerne, in all seinen Facetten. Aber das lesen an sich recht wenige, also Blogger denen ich folge, und dadurch entdecke ich auch einfach selten etwas in dieser Richtung.
LöschenJa, Silo wird bald dran sein, wenn es so weitergeht :)
Hallo liebe Nicole,
AntwortenLöschendieses Buch hatte ich bislang noch nicht im Blick und ich muss sagen, dass deine Rezension meine Neugierde geweckt hat. Alleine schon mit dem Punkt, dass dieses Buch mehr hinterfragt, als beantwortet, hat mir gefallen. Ich mag es, wenn Bücher zum Nachdenken anregen und nicht immer nur den moralischen Zeigefinger erheben.
Aber auch der skurrile Part rund um die Niere gefällt mir schon jetzt. :o)
Ich danke dir für diese wirklich interessante Buchvorstellung. Behalte ich im Blick. Könnte was für die Wunschliste sein.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)