Sonntag, 17. Mai 2020

Rezension: Worüber wir schweigen - Michaela Kastel

© Emons Verlag
Worüber wir schweigen
| Michaela Kastel |

Verlag: Emons Verlag 2019
Seiten: 320
ISBN: 9783740806439

MEINE BEWERTUNG 

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Österreichisches Jugend-Drama im Stil eines 'Roman Noir'

Nach zwölf Jahren kommt Nina wieder in ihren Heimatort. Damals hat sie das Dorf auf den schnellsten Weg verlassen und nicht zurückgeschaut. Im Gepäck hat sie einen Plan und eine mysteriöse Kiste, die das Schweigen über die Vergangenheit brechen soll. 

"Worüber wir schweigen" wird als Thriller bezeichnet. Meiner Meinung nach lässt sich dieses dunkle Werk der Autorin eher als 'Roman Noir' einordnen. Ein unausgesprochenes Geheimnis zieht seine Schatten bis in die Gegenwart, jugendliches Gelächter täuscht nicht über dramatische Ereignisse hinweg, und nach zwölf Jahren hat Nina einen Plan, den sie auf jeden Fall in die Tat umsetzt. 

Dazu kehrt Nina in ihren Heimatort zurück und spielt mit der Vergangenheit. Sie trifft sich mit der ehemals besten Freundin, schwelgt in Jugenderinnerungen, lässt den störrischen Teenager von einst in ihrem Elternhaus aufleben und bunkert eine Kiste unter dem Bett, aus der das Unheil strömt.


Der Titel "Worüber wir schweigen" könnte nicht passender sein. Nina, ihre ehemals beste Freundin Mel und Tobias hüten ein Geheimnis, das sie auffrisst. Jeder ist auf andere Weise in die Ereignisse von damals involviert, und es hat von allen Beteiligten Tribut verlangt. 


Dementsprechend wechselt Michaela Kastel zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Autorin beschreibt, wie sich Missverständnisse, kleine Intrigen, falsche Freunde und jugendlicher Übermut zu einer pechschwarzen Unglückswolke verdichten. Der Vergangenheitsstrang offenbart nach und nach dieses Geheimnis, welches auf das Leben aller Beteiligten seinen Schatten bis in die Gegenwart wirft. 


Dabei ist es eher stimmungsvolle Angespanntheit als rasante Thriller-Spannung, die diesen Roman zu einem mitreißenden Pageturner macht. Die Atmosphäre ist von jugendlichem Leichtsinn und unbändiger Lebenslust getrieben. Nina und Mel gehen zur Schule, stehen kurz vor der Matura und blicken dem nächsten Schritt im Leben entgegen. Während die schulischen Prüfungen ein unangenehmer Nebeneffekt zum Vorankommen sind, stellen sie sich selbst ein Bein. Entscheidungen werden getroffen, Begierden wird nachgegeben, Freunde werden hintergegangen, bis der Zufall das Drama zu einem düsteren Ausgang führt. 


In der Gegenwart ist Nina eine Getriebene, die sich nach angemessener Vergeltung sehnt. Leise Andeutungen lassen die Gefahr der Situation erkennen. Allerdings fädelt Michaela Kastel die Geschehnisse geschickt ein, wodurch es dem Leser lange an Erkenntnis fehlt. Die Neugierde ist auf jeden Fall geweckt, was die Seiten nur so fliegen lässt.


Die düstere Grundstimmung hat mich von der ersten Seite an fasziniert. Dieses Jugenddrama hat mich gefesselt, überrascht und teilweise an meine eigene Schulzeit erinnert. Ich mag, wie die Autorin die Schüler ihre Freundschaft erleben lässt, wie sie Partys feiern, dabei ihre Stärken und Schwächen erkennen, und sich durch unbedarftes Verhalten immer tiefer in die Misere reiten.


Im Nachhinein werden die Figuren den Schatten von damals nicht mehr los. All die Jahre sind vergangen, dennoch bleiben drei gebrochene Menschen, die in einem sozial-kranken Umfeld verhaftet sind. 


Die Figuren sind allesamt nicht liebenswürdig, dennoch überzeugend dargestellt. Als Leser darf man sich weder auf Wohlfühl-Atmosphäre noch kuschelige Charaktere einstellen, sondern muss sich auf kantige Menschen mit verstörendem Hintergrund gefasst machen.


Die Umstände und wie ein Rädchen hier das andere treibt, finde ich äußerst souverän sowie packend umgesetzt. Ich habe mich von Beginn an in diesem Roman verloren und mich in den Stil der Autorin verliebt. 


Allerdings denke ich, dass aufgrund der Bezeichnung als Thriller falsche Erwartungen geschürt werden. Ich habe "Worüber wir schweigen" eher als jugendliches Drama - besser ausgedrückt - als 'Roman Noir' empfunden. Der durchgehend gedämpfte Stil mit den unsympathischen Figuren setzt - meiner Ansicht - nach die durchgängige Anspannung überzeugend in Szene, wodurch dieses Werk zu einem fesselnden Leseerlebnis wird. 

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MEINE BEWERTUNG

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6 Kommentare:

  1. Liebe Nicole,
    jetzt sollte ich das Buch endlich vom SuB befreien. Auch ihr erster Thriller steht noch im Regal, nachdem ich ihn mir gebraucht gekauft hatte, weil ich ihn unbedingt lesen wollte...ts, ts...
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Hallo Martina,

      haha, ja, manchmal passiert es, dass man ein Buch unbedingt haben will und dann versauert es am SuB. ;) Aber vielleicht passt es in nächster Zeit ja mal für dich. Mir hat's ausgezeichnet gefallen.

      Liebe Grüße & schönen Sonntag,
      Nicole

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  2. Ich schon wieder, hihi

    Michaela Kastel, unter anderem auch Melanie Raabe, sehen sich selbst auch gar nicht ganz in diesem Genre - aber es muss ja anscheinend irgendwie zugeordnet werden ...
    Mir gefiel Michaelas Debüt besser, bei "Worüber wir schweigen" waren meine Ansprüche (wohl) etwas zu hoch. Mir hat es gefallen, aber eben auch Kritik einstecken müssen. Das besonders eine der Protas eher unsympathisch wirkt, fand ich sehr gelungen - ich mag das ja (=

    Mukkelige Grüße!

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    1. Du bist herzlich willkommen! :D

      Das Debüt kenne ich nicht, da spricht mich das Thema einfach nicht an. Ich habe mir zwar ein paar Rezensionen dazu durchgelesen, aber der Funke will nicht springen.

      Oh ja, das mag ich ebenfalls total gern. Ich brauche es überhaupt nicht kuschelig bei solchen Büchern.

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  3. Oje, das Buch habe ich auch noch auf dem SuB. Deine positive Bewertung sorgt hoffentlich dafür, dass es ein bisschen schneller befreit werden wird. ;-)

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    1. Ich hoffe, es gefällt dir, Mona! Die Meinungen gehen hier etwas auseinander.

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