Samstag, 21. Dezember 2024

Rezension: Wintergeister - Bridget Collins

Wintergeister - Bridget Collins
© Dumont
Wintergeister
| Bridget Collins u. a. |

Verlag: Dumont 2024

Seiten: 240
ISBN: 978-3755800286

MEINE BEWERTUNG 
- ★★★
 - 



Kleiner Schauer für frostige Winterabende
 
Mit „Wintergeister“ holt man sich eine passable Sammlung für winterlich, teilweise schaurige, Lesestunden ins Haus.  

Die Tradition, in dunklen Wintermonaten Schauergeschichten zu lesen, ist mir natürlich nicht neu. Neu ist für mich aber, dass es diese sozusagen in einer Weihnachtsedition gibt. Für mich als Fan von düsterer Lektüre führte daher kein Weg an „Wintergeister“ vorbei. 

Die Sammlung vereint sechs Geschichten von Autor:innen des unheimlichen Erzählens und verspricht an die ganz Großen wie Edgar Allan Poe anzuknüpfen. Bei diesem Versprechen wird man hellhörig und fragt sich, ob die Anthologie dem hohen Anspruch gerecht wird. 

Geboten werden jedenfalls vielfältige Settings - von düsteren Herrenhäusern über rätselhafte Theater und verschneiten Winterlandschaften ist einiges dabei. Außerdem bringt jede Erzählung ihre eigene Untermalung mit, welche von einer drückenden Atmosphäre, über eine spannende Wendung oder einen Hauch von Tragik geht.

Für mich zeigt sich bei Kurzgeschichten immer, wie schwierig es ist, in der Kürze nachhaltige Stimmung oder sogar Gänsehaut aufzubauen. Während mich einige Geschichten mit der Atmosphäre und den Ideen überzeugten, blieben andere hinter meinen Erwartungen zurück, weil sie mir zu schnell abgehandelt wurden oder langatmig wirkten.

„Der steinerne Dämon“ von Bridget Collins lebt von einer stimmungsvollen Atmosphäre. Wir befinden uns in einem abgelegenen, kalten Haus an der Seite einer Autorin, die von Erinnerungen an eine Freundin und einen seltsamen Wasserspeier heimgesucht wird. Während mich das Setting überzeugt hat, hat die Spannung meine Erwartungen nicht ganz erfüllt. Ich hatte ständig das Gefühl, dass die Geschichte auf etwas Großes zusteuert, doch das Ende ließ mich zwiegespalten zurück und ist den angepeilten Wow-Effekt schuldig geblieben. Es handelt sich meiner Meinung nach um einen ansprechenden Ansatz, der jedoch eher wie der Auftakt zu einem Roman wirkt.

Die Erzählung „Das alte Theaterstück“ von Andrew Michael Hurley fällt durch die langsame Erzählweise auf. Es geht um Konfrontation mit der Vergangenheit und es gibt rätselhafte Andeutungen, was in Summe interessant ist. Aber die Handlung kommt erst gegen Ende in Fahrt. Den abschließenden Twist fand ich gelungen, doch der Weg dahin fühlte sich mehr wie ein zäher Prolog für mich an. 

„Ada Lark“ von Jess Kidd ist eine blasse Protagonistin, die dank der kantigen Nebenfigur, einer ausgefuchsten Madame, doch etwas Farbe im Antlitz der Geschichte erhält. Ein Hauch von Tragik macht den Einstieg in die Erzählung packend. Aber ab einem gewissen Punkt in der Handlung verpufft die Spannung. Die Dynamik zwischen den Figuren fand ich reizvoll, trotzdem hat mir der finale Schlag gefehlt. Die Idee war solide, dennoch fand ich das Potential nicht vollständig ausgeschöpft.

Catriona Ward hat mir mit „Jenkin“ richtig imponiert. Diese Geschichte war für mich das absolute Highlight der Sammlung. Ich wurde mit tiefgründigen Charakteren, einer dramatischen Familiengeschichte und - ich nenne es mal - düsteren Symbolik wirklich umgehauen. Denn bei „Jenkin“ handelt es sich um eine dunkle Präsenz, die sinnbildlich für das, was uns verfolgt und nach und nach einnimmt, steht. Die Balance zwischen Melancholie und Schrecken fand ich großartig umgesetzt. Obwohl vieles nicht ausgesprochen wird, hat die Geschichte bemerkenswerten Eindruck auf mich gemacht. 

„Der Witwenweg“ von Susan Stokes-Chapman ist eine solide Geschichte, die mit einer starken Protagonstin, einer bösen Handlung und einer wunderbar winterlich beschriebenen Szenerie für Lesevergnügen sorgt. Der knirschend-kalte Grusel und manche Schlafzimmer-Episode versprechen der Jahreszeit entsprechende Gänsehaut, obwohl die Handlung eher geradlinig bleibt. Besonders die vorweihnachtliche Atmosphäre gepaart mit gruseliger Anspannung verleihen der Erzählung ihren Charme. 

Den Schluss läutet „Das Lied von Glocken und Ketten“ von Laura Purcell ein. Die Autorin überzeugt mit einer gemeinen Handlung, einen unheilschwangeren Einblick in familiäres Geschehen und mit atmosphärischer Dichte. Der Krampus ist ein zentraler Bestandteil der Handlung. Dieser wird aber auf eine Weise dargestellt, die ich mit meinem traditionellen Bild nicht völlig vereinbaren kann. Das hat mein Leseerlebnis etwas beeinträchtigt, obwohl die Geschichte ausgezeichnet erzählt und geschrieben ist. Es entfaltet sich jedenfalls eine eindringliche Moral über das Verurteilen und Verurteiltwerden, was eindeutig zum Nachdenken anregt.

Meine Lieblingsgeschichten waren „Jenkin“ und „Der Witwenweg“, die mir beide gewiss in Erinnerung bleiben. Gefallen hat mir allgemein, dass die Sammlung schauriges Lesevergnügen souverän als teilweise weihnachtliche Winterlektüre präsentiert. Dadurch passt diese, meiner Meinung nach, ausgezeichnet in die kalte Jahreszeit. 

Unterm Strich bietet „Wintergeister“ ein gelungenes Leseerlebnis. Obwohl meist der große Grusel ausbleibt, wird jede:r Leser:in für den eigenen Geschmack fündig werden, und hat damit ein passendes Buch für frostige Abende in der (Weihnachts- und) Winterzeit zur Hand.
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MEINE BEWERTUNG
★★★

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6 Kommentare:

  1. Liebe Nicole,
    jetzt bin ich neugierig: Wie hat Laura Purcell den Krampus dargestellt?
    Ich finde es immer etwas komisch, wenn unser Brauch hier in Österreich von Menschen aus anderen Ländern verfälscht wird.

    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Hallo Martina,

      ich schreibe dir das auf anderem Weg, damit ich hier keine Spoiler verbreite.

      Liebe Grüße
      Nicole

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    2. @Martina: Von verfälschen würde ich jetzt gar nicht unbedingt sprechen - ich denke mal, andere Länder haben ganz einfach andere Überlieferungen/Traditionen?
      Ich denke auch bei uns in Bayern - obwohl wir uns ja recht nahe sind - haben da auch andere Vorstellungen und sicher auch einige Überschneidungen ;)

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  2. Schönen guten Morgen Nicole!
    Das ging ja fix mit der Rezi xD Ich hatte auch schon überlegt, sie noch im Dezember zu posten, aber da es Wintergeschichten sind, bleibt es wohl bei Ende Januar... es waren jetzt einfach zu viele andere Beiträge noch geplant.

    Ich finde es schön dass du zu jeder Geschichte noch etwas geschrieben hast! Ich fand den Austausch hier echt toll, weil man zu jeder von ihnen kurz etwas sagen konnte und jeder ja auch ein kleines bisschen anders reagiert hat.
    An sich war es eine gute Sammlung, auch wenn ich teilweise auch mehr erwartet hatte!

    Ich wünsch dir einen guten Wochenstart und nochmals: Fröhliche Weihnachten! xD

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo Aleshanee,

      ja, diese Rezension wollte ich noch in der Weihnachtszeit raushauen, damit es am Blog etwas besinnlicher ist. XD Ich sage dir, ich sitze wie eine Bruthenne auf Rezensionen en masse und weiß gar nicht mehr, wie und wann ich die unterbekommen soll. Von der Chronologie bin ich schon lang weg und gehe es derzeit jahreszeitlich an. Zumindest vorerst. Dabei muss ich viele davon noch für den Blog aufbereiten. Aber besser so als anders. :D

      Ja, diesmal konnte ich auch zu jeder Geschichte etwas schreiben. Bei nur 5 Geschichten hat es sich auch im Rahmen gehalten.

      Ich wünsche dir auch frohe Weihnachten & alles Liebe
      Nicole

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    2. Sie ein bisschen den Jahreszeiten anzupassen ist natürlich auf jeden Fall auch gut! Ich hab dafür auch ein bisschen was hin und her geschoben, aber an sich mach ich da einfach weiter mit dem Planen, jetzt bin ich schon bei Anfang/Mitte März *lach*
      An sich ist es ja nicht schlecht, wenn man ein bisschen was im Repertoire hat - da hab ich dann auch kein "schlechtes Gewissen" wenn ich zu einem Buch mal keine Rezension schreibe ;)

      Es ist auch etwas schwieriger bei so Kurzgeschichtenbänden, also die Rezension, aber ich versuche schon immer zumindest 1-2 Sätze zu schreiben, wenn es dann doch mehr sind, damit man zumindest einen Eindruck bekommt, welche Geschichten einen erwarten...

      Ich hoffe, dein Weihnachten war bisher so schön wie erhofft und wünsche dir noch einen schönen 2. Feiertag <3

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