Mittwoch, 25. Juni 2025

Rezension: Der Familienurlaub - Shalini Boland

Der Familienurlaub - Shalini Boland
Quelle: Amazon*
Der Familienurlaub
| Shalini Boland |

Verlag: Hachette UK 2024
Dauer: 7 h : 45 min 
ASIN: B0DJDGKYHG
Sprecher: Pippa Galli

MEINE BEWERTUNG

 
★★★★- 




Zwei Familien, zwei Welten, ein Foto.

Ein Sommer in einer traumhaften italienischen Villa scheint der perfekte Familienurlaub zu sein. Die anfängliche Skepsis im Haus Fremder zu wohnen, weicht allmählich dem Gefühl von Entspannung. Doch dann findet Beth ein Fotos ihres Mannes an der Seite einer anderen Frau in diesem fremden Haus, das alles in Frage stellt.

Urlaub im Kopf klappt manchmal schon mit einem passenden Buch. Und wenn einen der Alltag ohnehin fest im Griff hat, ist ein leichter Psychothriller mit Sonne, Pool und ein bisschen Gänsehaut zwischendurch eine angenehme Wahl. Der Familienurlaub von Shalini Boland liefert genau das. Es ist ein psychologisches Verwirrspiel in sommerlicher Kulisse. Nicht zu komplex, aber unterhaltsam, wenn man sich auf das Gedankenspiel einlässt.

Die Ausgangslage ist einfach gestrickt. Beth und ihre Familie tauschen für die Sommerferien ihr Cottage im kühlen Großbritannien gegen eine Villa in Italien. Auf den ersten Blick ist es eine gute Lösung und schont das Budget. Denn während sich Beths Familie zwischen Pool, Pasta und Postkartenidylle einlebt, stößt sie auf ein Foto, das ihre Welt ins Wanken bringt. Beths Ehemann ist darauf in inniger Vereinung abgebildet. Obwohl ihr die Frau völlig fremd ist, wohnt diese gerade in ihrem Haus.

Erzählt wird der Roman abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Beth und Amber. Dieser Kniff funktioniert gut und verleiht der Geschichte den nötigen Reiz. Gerade weil die Handlung selbst nicht besonders spektakulär ist, lebt der Roman stark von seinen beiden Protagonistinnen. Beth schleicht durch den Urlaub wie ein geprügelter Hund. Sie ist verunsichert, überfordert, mit einem fragwürdigen Selbstbild und wenig Rückgrat. In Österreich würde man sie wohl als „armes Hascherl“ bezeichnen. Jede kritische Regung ihres Mannes bringt sie aus dem Konzept. Sie klammert sich an ihre Rolle als fürsorgliche Ehefrau und Mutter und verliert dabei sich selbst komplett aus dem Blick. Ihre Passivität kann beim Lesen durchaus Nerven kosten. Genau dieser Punkt hat sie für mich auch wieder interessant gemacht. Denn so erschreckend ihre Untätigkeit ist, so ehrlich spiegelt sie doch eine Beziehung, in der das Gleichgewicht verloren ging.

Hingegen ist Amber der Gegenpol von Beth. Sie wirkt selbstbewusst, strahlend und souverän. Ihr Mann trägt sie auf Händen, während sie den Ton angibt. Sie weiß, was sie will, und sie nimmt es sich. Aber auch durch ihre Gedanke schimmert etwas Dunkles. Es hat auf mich wie eine Irritation, ein Zuviel, das nicht ganz greifbar ist, gewirkt. Während Beth sich im sonnigen Italien ständig in Frage stellt, verbringt Amber in Großbritannien einen geradezu perfekten Familienurlaub mit herrlicher Qualitytime, Ausflügen und viel Harmonie. Die Kontraste könnten kaum stärker sein, und genau diese Spiegelung hat für mich den Reiz des Romans ausgemacht.

Der Roman ist als Psychothriller deklariert. Wer dadurch blutige Wendungen oder hochtrabende Spannung erwartet, liegt damit eher falsch. Der Familienurlaub bleibt in seinem Aufbau recht schlicht, lebt aber vom psychologischen Kräftespiel zwischen den beiden Frauen. Große Überraschungen gibt es keine, sieht man von einer Wendung ganz am Ende ab, die dann doch noch ein wenig Fahrt aufnimmt und einen soliden Abschluss bildet. Die eigentliche Auflösung hinter allem wirkt dabei etwas konstruiert. Ich fand es nicht völlig aus der Luft gegriffen, aber man merkt, dass hier einige Fäden bewusst sehr straff gezogen wurden. Für mich war das in Ordnung, weil die Stimmung gut gehalten wurde und ich über den etwas holprigen Unterbau hinwegsehen konnte.

Was die Autorin hingegen richtig gut eingefädelt hat, ist die Parallelführung der Urlaube: Während Beth einen furchtbaren Ausflug beschreibt, schwärmt Amber im nächsten Kapitel von einem perfekten Tag. Die eine Familie tappt in die Touristenfalle, die andere genießt gelassen ein Glas Wein. Dieses konsequente Gegenspiel der Erlebnisse hat die Geschichte für mich getragen. Dazu kommen atmosphärische Beschreibungen, die zumindest in Italien einen Hauch von Dolce Vita aufkommen lassen. Nur leider kann Beths Familie ihren Aufenthalt kaum genießen. Das Miteinander ist sehr angespannt. Es brodelt zu viel unter der Oberfläche. Dagegen scheint bei Amber in Großbritannien alles perfekt zu harmonieren. Zumindest auf den ersten Blick ... 

Der Familienurlaub ist für mich kein Thriller im klassischen Sinn, aber durchaus ein spannender Roman für zwischendurch. Wenn man gedanklich gern mal verreist. Die Handlung mag zwar überschaubar sein, aber die Darstellung der beiden Frauenfiguren hält das Interesse aufrecht. Mich haben vor allem die Gegensätze zwischen Beth und Amber gefesselt, genauso wie die subtile Dynamik in den Familien. Dass Beth sich so schamlos von ihrem Mann kleinhalten lässt, hat mich zwischendrin aufgwühlt. Die Autorin beschreibt damit eine Beziehung, in der einer ständig schweigt und sich zurücknimmt. So etwas kann, meiner Meinung nach, auf Dauer nicht gutgehen, was der Roman insgesamt gut zeigt.

Wer Lust auf ein gedankliches Experiment rund um einen Häusertausch hat, kombiniert mit einer Prise Misstrauen, sommerlicher Kulisse und familiärer Anspannung, dürfte hier fündig werden. Für mich war es kein Highlight, aber ein durchaus interessanter Roman, der sich schnell lesen bzw. hören lässt. "Der Familienurlaub" ist ideal für eine kleine Flucht aus dem Alltag mit gutem Unterhaltungslevel.

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MEINE BEWERTUNG
★★★★

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