Freitag, 3. März 2017

Rezension: Die Terranauten - T.C. Boyle

© Hanser Verlag
Die Terranauten
| T. C. Boyle |

Verlag: Hanser Verlag 2017
Seiten: 608 
ISBN: 9783446253865

MEINE BEWERTUNG 

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Von Sex, Ehrgeiz und der Wissenschaft

Die Zukunft beginnt in den 90ern als sich acht Wissenschafter für die Dauer von zwei Jahren in die Glaskuppel „Ecosphere 2“ begeben. Als in sich geschlossenes Ökosystem darf in dieser Zeit nichts und niemand raus oder rein, weil das Experiment ansonsten als gescheitert gilt.

T.C. Boyle hat sich an einer wahren Grundlage bedient und versucht seiner Version der Ereignisse rund um das Experiment „Biosphere 2“ in den 1990ern in Arizona gemeinsam mit dem Leser auf den Grund zu gehen. Allerdings beschäftigt sich Boyle nicht ausschließlich mit dem offensichtlichen Nutzen oder Ablauf dieses Forschungsvorhabens sondern stellt die Beziehungsebene der Terranauten in den den Vordergrund.

Die Terranauten sind jene wagemutigen Wissenschafter die sich zwei Jahre lang für dieses Experiment zur Verfügung stellen. Sie sind es, die bereits jahrelang am Gelingen arbeiten, mit Fleiß und Ehrgeiz bei der Sache sind und vor Freude in die Höhe springen, weil sie es letztendlich in die Kuppel geschafft haben. Diese acht ambitionierten Personen, die sich aller Hürden zum Trotz - teilweise dank Ellbogenmentalität - von ihren Konkurrenten abgehoben haben, sind nun als Team für ihr eigenes Überleben verantwortlich. Denn „Ecosphere 2“ ist vollkommen abgeschlossen von der Außenwelt. Egal ob Nahrung oder Sauerstoff, sie dürfen sich nur auf die selbstproduzierten Ressourcen verlassen, weil das Experiment ansonsten misslungen ist.


Die Thematik um „Ecosphere 2“ ist an sich schon sehr interessant. Welche Erkenntnisse kann man durch dieses Forschungsvorhaben gewinnen? Wie reagiert die Öffentlichkeit darauf? Inwiefern kann es zukünftigen Entwicklungen dienen? Und wie wird es den Terranauten ergehen?


Besonders die letzte Frage steht ganz klar im Vordergrund. Ablauf, Umfeld und Rahmen der Handlung wird von „Ecosphere 2“ geboten. Hier geht der Autor auf Hintergrundfakten und möglichen Nutzen ein, beschäftigt sich jedoch in erster Linie mit der Beziehungsebene der Terranauten und wie sich diese unter dem Überlebensdruck und der Abgeschiedenheit zu verändern beginnt.


Diese Beziehungsebene wird durch drei Figuren betrachtet. Dawn ist für die Nutztiere innerhalb des Glaskastens verantwortlich und hat damit einen Teil der Nahrung des Teams zu verantworten. Ramsay als Kommunikationsoffizier treibt die Public Relations für die Außenwelt voran, und Linda musste draußen bleiben und schielt neidvoll auf die Glücklichen im Inneren. Durch Dawn und Ramsay erfährt man aus erster Hand, was unmittelbar in "Ecosphere 2" vor sich geht und wie sich die Terranauten schlagen. Dank Linda bleibt ein Bezug zur Außenwelt und man weiß dadurch, wie Mission Control zu den Ereignissen in „Ecosphere 2“ steht.


Keinesfalls darf man sich hier sympathische Charaktere erwarten, denn ich mochte keinen Einzigen davon. Sie sind allesamt fast vom Ehrgeiz zerfressen, nicht einmal den besten Freunden etwas vergönnt und freuen sich nur so lange für das Team, wie es ihnen selber nützt.


Die Handlung an sich hat sich zwischen den Figuren ereignet und damit war ich nicht ganz zufrieden. Teilweise habe ich mich wie in einer Teenie-Soap gefühlt, weil es oft nur darum ging, wer mit wem geschlafen hat. Außerdem ist das Thema Sexualität überproportional besetzt, was auf mich übertrieben, abgedroschen und langweilig wirkt.


Trotz dieser Kritik hat mich Boyle mit seinen Terranauten großteils an sich gefesselt. Meist ist es sehr faszinierend mit diesen drei Personen das Experiment anzugehen, dabei in ihre Seelen zu blicken und bei manchen Aktionen von Mission Control den Kopf zu schütteln.


Das Ende hat mir gut gefallen. Ich weiß nicht, ob man damit rechnen kann, aber hier hat sich allem Anschein zum Trotz eine interessante Entwicklung ergeben, wodurch der letzte Abschnitt sehr spannend war und ich doch noch zufrieden das Buch zugeklappt habe.


Der Schreibstil ist ruhig, Actionszenen darf man sich nicht erwarten, und trotzdem wurde ich meist von der Intensität der Figuren erfasst, die mich nicht losgelassen hat.


Alles in allem war es für mich eine interessante Leseerfahrung. Ein spannender Rahmen, zu viel Sex, dafür aber authentische Figuren, langweilige Passagen und fesselnde Entwicklungen, lassen mich mit gemischten Gefühlen zurück und ich weiß nicht so recht, wie ich es als Gesamtwerk einordnen soll.


Bei diesem Roman kommt es meiner Meinung nach auf die Erwartungshaltung an. Wer sich ein spannendes Abenteuer in den USA der 90er erhofft, wird nicht glücklich werden. Wer sich allerdings auf eine schonungslose Charakterstudie einlassen will und sexbesessenes Teenie-Gehabe ertragen kann, findet darin einen lesenswerten Roman, den ich mit seinen intensiven Figuren und dem futuristischen Rahmen empfehlen kann.

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MEINE BEWERTUNG

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21 Kommentare:

  1. Teenie-Soap trifft es sehr gut. Leider gefällt mir dieses "wer mit wem" gar nicht und auch dieses überdramatische Hassgetue geht mir nach 400 Seiten langsam etwas auf den Keks. Von einem Autoren mit der Reputation eines T.C. Boyles hätte ich etwas mehr Charaktertiefe, mehr Klugheit und ein feineres Gespür für Zwischenmenschliches erwartet, jenseits dieses kindischen Geplänkels.

    Aber das Buch liest sich ganz flott. Momentan steh ich irgendwo zwischen zwei und drei Sternen, vielleicht ändert sich das auf den letzten Seiten ja noch.

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    1. Hallo nicole,
      leider hat mich das Buch mit gemischten Gefühlen zurückgelassen. Die Charaktere waren mir teilweise sehr unsympathisch und ich hätte die Geschichte noch gerne aus anderen Perspektiven wie z.b durch GV oder Gretchen erzählt bekommen. Ich habe dem ganzen noch drei Sterne geben können, da esir teilweise doch recht gut gefallen hat.
      Ich denke, dass du vollkommen recht damit jast , dass es an der Erwartungshaltung liegt, wie einem der Roman gefallt .
      LG Kathrin

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    2. Hallo :)

      Ich habe vorher noch nie etwas von Boyle gelesen, daher hatte ich auch keine spezielle Erwartungshaltung. Eigentlich mochte ich es recht gern, dass die Figuren allesamt so unsympathisch sind und keinem etwas gönnen. :D Das war mal erfrischend anders.

      @ Jari: Ich bin gespannt, wie deine endgültige Bewertung ausfallen wird. Der Schluss hat es für mich noch heraus gerissen und ich war dann doch versöhnt.

      @ Kathrin: Mehr Perspektiven im Sinne von Figuren und weniger sexuelles Gedankengut hätten dem Ganzen sicherlich gut getan. Da mich Boyle dann doch fesseln konnte, sind es bei mir auch noch 3 Sterne geworden.

      Schönes Wochenende!

      Liebe Grüße,
      Nicole

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    3. Ich bin bei zwei Sternen geblieben. Der Schluss war zwar ganz nett, konnte das Buch aber nicht mehr auf drei Sterne hochheben...

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    4. Au weh. Ganz so schlimm fand ich es dann doch nicht, es hatte schon sehr fesselnde Elemente. Der Schluss war nicht so schlecht, oder?

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    5. Genau, der Schluss war eigentlich ganz ok. Aber es reichte nicht aus, um den ganzen Lesefrust wieder gut zu machen. Ich war lange neugierig auf den berühmten T.C. Boyle und hoffe, dass nicht alle seine Bücher so seicht sind, denn eigentlich möchte ich ihm gerne noch einmal eine Chance geben.

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    6. Also ich werde in nächster Zeit auf den Autor verzichten. Aber vielleicht berichtest du ja total begeistert von einem anderen Werk von ihm, um das ich nicht herumkommen kann ... :P

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    7. Das wird bestimmt noch ein paar Jahre dauern *grins* Aber wer weiss, vielleicht haut mich sein nächstes Werk ja um? :D

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  2. Danke für deine Kritik.
    Ich bin wegen des Inhalts auch schon um das Buch herumgeschlichen. Da es echt interessant klingt. Wenn ich allerdings hier so deine Kritikpunkte lese, rutscht das Buch mal ganz flott wieder von der Einkaufsliste.
    Schade, denn es wäre sicher eine geniale Erzählung geworden ohne dem Wer-Mit-Wem ;)

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    1. Der Inhalt ist auch interessant. Aber diese Beziehungskiste lenkt viel zu sehr davon ab. Schlecht fand ich es nicht, vor allem das Ende hat mir gefallen und den Erzählstil fand ich ebenso gut. Ja, vielleicht kein Buch, das man unbedingt lesen muss.

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  3. Huhu Nicole,

    das Buch hatte ich erst am Dienstag in der Hand und hätte es auch beinahe mit nach Hause genommen, da der Klappentext doch Spannung versprach. Jetzt streich ich es erstmal von meiner eh schon endlosen Wuli, denn das klingt schon, als wäre ich nachher nur enttäuscht.

    Danke für die Rezi! :)

    Liebe Grüße
    Silke

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    1. Hallo Silke,

      ja, ich glaube, das Buch kann tatsächlich sehr enttäuschend sein, wenn man vorher nicht weiß, worauf man sich hier einlässt. Es fehlt meinem Geschmack nach auch etwas an Abenteuercharme, weil es so sehr auf die Beziehungsebene reduziert ist.

      Schönes Wochenende!

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  4. Auf das Buch war ich schon sehr neugierig, deine Kritik lässt mich aber doch ein wenig zurück schrecken. Zwar werde ich das Buch sicherlich irgendwann noch lesen, das hat nun aber keine Eile mehr.

    LG
    Angy von Upside Down Kingdom

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    1. Abschrecken wollte ich aber nicht, sondern eher aufklären. :D Man sollte halt wissen, worauf man sich einlässt, wenn man dazu greift.

      Liebe Grüße & schönes Wochenende,
      Nicole

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  5. Hey,

    ich finde die Rezension wirklich gut geschrieben und vermittelt einen guten Eindruck über das Buch, auch wenn es bei dir nicht ganz so positiv ausgefallen ist, werde ich mir das Buch definitiv als nächstes vornehmen.

    Liebe Grüße
    Der Captain

    -> https://captainbooksweb.wordpress.com

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    1. Hallo,

      danke dir! Und jetzt bin ich natürlich sehr gespannt, was du zu Boyles Teenie-Soap sagen wirst! Vielleicht wirkt es ganz anders auf dich. Ich bin gespannt.

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  6. "schonungslose Charakterstudie" - JA
    "sexbesessenes Teenie-Gehabe" - Nooooo
    Und was mache ich nun? Deine Rezi hat meine Verunsicherung eher bestärkt ...

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    1. Eine Woche darüber schlafen, den Klappentext dann noch einmal durchlesen und im Endeffekt nach dem Bauchgefühl entscheiden. XD Das wäre mein Tipp dazu.

      Lesenswert ist es allemal, auch wenn es kein Abenteuerroman oder eine abgehobene SciFi-Story ist. Es hat mich zwar nicht begeistert, dennoch auf seine eigene Art gefesselt. Tja, wirklich hilfreich war mein Kommentar jetzt wohl auch nicht, oder?

      Liebe Grüße & schönes Wochenende,
      Nicole

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    2. Nope, nicht wirklich :D
      Auf der WuLi ist es, mal sehen ob es dann auch irgendwann im Regal steht ...
      Hab einen feinen Sonntag!

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  7. Tolle Rezi! Die Thematik klingt wirklich super interessant, aber deine Bemerkung zu den Charakteren und ihren "Zwischenmenschlichkeiten" hat mich jetzt ein wenig ernüchtert xD. Naja es bewahrt mich jedenfalls gerade vor einem Spontankauf, das hat doch auch was gutes xD.

    Liebe Grüße
    Insi Eule

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    1. Hallo Insi,

      schön, dass ich helfen konnte, denn für einen Spontankauf wäre das Buch wirklich nichts. Man sollte es sich vorher überlegen, ob man sich drauf einlassen will, denn stellenweise ist es schon sehr zähl. Vor allem, wenn ich an die ganzen Bettgeschichten im Stil von Beverly Hills 90201 denke ... XD

      Liebe Grüße,
      Nicole

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