Samstag, 21. Juni 2025

Rezension: The Boys Of Summer - Richard Cox

The Boys Of Summer - Richard Cox
© Luzifer
The Boys Of Summer
| Richard Cox |

Verlag: Luzifer 2024
Seiten: 504
ISBN: 978-3958354487

MEINE BEWERTUNG 

 
- ★★★★★ - 



Ein übernatürlicher Coming-of-Age-Roman
 
Mit dem Tornado von 1979 zog das Dunkle über Wichita Falls hinweg. Daraufhin lag Todd vier Jahre lang im Koma, bis er in den 1980er-Jahren erwacht und mit anderen Jungs Freundschaft schließt. Als „The Boys Of Summer“ erleben sie eine unbeschreibliche Zeit, die aber schnell ins Vergessen gerät. Erst als Erwachsene merken sie, dass sie sich kaum mehr erinnern können. Aber schon suchen die nächsten schrecklichen Ereignisse die kleine Stadt heim.

Mich hat das Buch schon lange gereizt, weil ich vor einigen Jahren über viele begeisterte Rezensionen gestolpert bin. Die Mischung aus Coming-of-Age und Horror klang nach meinem Lesegeschmack. Zudem haben viele Rezensent:innen einen Vergleich zu Stephen King gezogen, der auch im Klappentext angedeutet wird. Dieser ist definitiv passend, auch wenn Richard Cox eine eigene Geschichte mit seiner Stimme erzählt.

Der Autor führt in die texanische Kleinstadt Wichita Falls, die 1979 von einem verheerenden Tornado heimgesucht wurde. Dieses Naturereignis dient nicht nur als dramatischer Einstieg, sondern als Fundament für alles, was im Anschluss folgt. Es geht um die Erlebnisse einer Gruppe von Freunden, und wie sie sich als Erwachsene an ihre Jugend erinnern.

Der Tornado hat tiefe Spuren hinterlassen. Besonders betroffen ist das Kind Todd, der ins Koma fällt und erst vier Jahre später als Jugendlicher wieder aufwacht. Doch Todd ist nicht mehr, wie er war. Er scheint Dinge zu wissen, die er nicht wissen kann, und zeigt Fähigkeiten, die unheimlich wirken. Damit fasziniert er eine Gruppe Jugendlicher, mit denen er einen Sommer in den 1980er-Jahren verbringt. Sie nennen sich „The Boys of Summer“ und erleben Freundschaft, Mutproben und ein Ereignis, das ihr gesamtes Leben überschatten wird.

Viele Jahre später, im Jahr 2008, werden die Kinder von einst von dieser Zeit eingeholt. Ein Junge verschwand in jenem Sommer spurlos und es hat seltsame Brände gegeben. Keiner weiß genau, was wirklich geschah. Gleichzeitig kündigt sich ein neuer Tornado an, während die Suche nach der Wahrheit in die Tiefen ihrer Erinnerungen führt.

Richard Cox erzählt auf zwei Zeitebenen, die geschickt aufgebaut sind. In den 1980er-Jahren kehren wir in den erwähnten Sommer voller Aufbruch, Angst und unerklärlicher Ereignisse zurück.

David, Jonathan, Bobby, Adam und Alice wirken dabei anfangs wie typische Achtziger-Kids mit Kassettenrekordern, Dungeons and Dragons und einer leisen Sehnsucht nach mehr. Dann ist da Todd. Und mit ihm kippt alles.

Todd ist keine Figur, die man vergisst. Nach vier Jahren im Koma erwacht er mit einem Wissen, das er unmöglich haben kann. Er strahlt eine beunruhigende, fast übermenschliche Präsenz aus. Ich habe lange gebraucht, um überhaupt zu begreifen, was er mit mir als Leserin macht. Szenen mit ihm waren mir durchweg unangenehm. Das zeigt, wie gut Richard Cox die Figuren inszeniert. Ich konnte Todds Absichten nicht greifen und war von seiner bedrohlichen Aura genauso eingeschüchtert wie fasziniert.

Die Gruppendynamik war ebenso interessant. Obwohl die Jungs spüren, dass Todd merkwürdig ist, folgen sie ihm. Vielleicht aus Angst oder Faszination. Vielleicht, weil sie etwas teilen, das sie ein Leben lang miteinander verbinden wird.

Diese jugendliche Zeitebene hat auf mich wie Erinnerungsfragmente gewirkt. Mal sind sie klar, dann verschwommen und manchmal etwas widersprüchlich. Das hat für mich hervorragend zur Grundstimmung des Romans gepasst. In der Gegenwart stehen die inzwischen erwachsenen Protagonisten vor der Frage, was damals geschehen ist. Denn sie alle haben das Gefühl, etwas Entscheidendes vergessen zu haben, das ihnen nun gefährlich wird. Dadurch entsteht eine intensive Spannung, die fortwährend zu fesseln weiß.

Der Stil hat mir ausgezeichnet gefallen. Cox ruhiger Ton verzichtet auf Knallbonbons, sondern führt den Horror langsam zwischen die Zeilen ein. Damit kriecht er leise, aber stetig unter die Haut. Übernatürliche Elemente sind fein dosiert und kommen gerade durch ihre Beiläufigkeit besonders gut zur Geltung.

Der Autor verweist auf das Unausgesprochene und das Unverarbeitete, das so lange an den Fesseln zerrt, bis es sich befreit. Hier ist der Horror nicht das Monster, sondern das nagende Gefühl, dass im eigenen Leben etwas nicht in Ordnung ist.

Am Ende hat mich die Geschichte sehr überrascht und richtig in ihren Bann gezogen. Richard Cox hat unter sein Spiel aus Erinnerung, Katastrophe und Identität einen Schlussstrich gezogen, der definitiv nachwirkt und weit über das Offensichtliche hinausgeht. Leider kann ich nicht mehr andeuten, weil ich damit künftigen Leser:innen sicherlich den Lesespaß nehme.

Jedenfalls habe ich mit „The Boys of Summer“ einen äußerst packenden Horror-Roman gelesen, der mich in wohliges Unbehagen versetzt und mich zu guter Letzt mit einem umwerfend-charmanten Schachzug beinah umgehauen hat. Meine Empfehlung geht an Leser und Leserinnen, die untypische Coming-of-Age-Romane mit unheimlichen Elementen mögen.
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MEINE BEWERTUNG
★★★★★

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9 Kommentare:

  1. Schönen guten Morgen!

    Auf den ersten Blick klingt es wirklich ein bisschen nach Stephen King, aber das stört ja nicht und der Autor hat hier anscheinend eine richtig gute, neue Geschichte daraus gemacht. Freut mich sehr dass sie dich so in den Bann ziehen konnte und du hast mich auf jeden Fall total neugierig gemacht. Kommt auf die Wunschliste :D

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Guten Morgen Aleshanee,

      ja, irgendwie klingt es schon nach King, aber irgendwie ist es auch völlig anders. Sollte es das Buch zu dir schaffen und gelesen werden, bin ich sehr gespannt, was du dazu sagst. Ich fand es mal so richtig schön anders.

      Liebe Grüße
      Nicole

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    2. Manche Ideen wiederholen sich halt auch mal, oder klingen ähnlich - bei der Masse ja nicht verwunderlich ;) Und hier gibt es ja schon so ein paar Punkte, die an ES erinnern oder grade auch der Aspekt mit Fähigkeiten.
      Sommer der Nacht von Dan Simmons hat mich ja auch z. B. extrem an ES erinnert, und dennoch hat er was eigenes draus gemacht - und beim Lesen dann die Vibes von ES zu spüren war dann einfach nochmal ein Bonus :D

      Und "richtig schön anders" klingt einfach gut!

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  2. Hallo Nicole,
    ich konnte anhand deiner Rezension tatsächlich ein wenig erlesen, was du meinst, wenn du schreibst, dass das Buch mit Werken von King verglichen wurde. Und ich habe beim Lesen deiner Worte auch richtig herausgespürt, wie sehr dir das Buch gefallen hat. Es freut mich sehr, dass du so ein kleines Highlight für dich in diesem Monat gefunden hast.

    Besonders gefallen hat mir die Zeitebene, auf der die Geschichte spielt. Ich selbst bin mit DSA aufgewachsen und kann mich auch noch daran erinnern, wie wir als Kind Kassetten besprochen haben. Von daher kamen schon beim Lesen deiner Worte Erinnerungen hoch.

    Dass dich das Ende so umgehauen hat, macht auch extrem neugierig.

    Ich danke dir für diese wirklich interessante Buchvorstellung.

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Hallo Tanja,

      das freut mich sehr. Es war sehr schwierig zu rezensieren ohne zu spoilern. :D

      Die 80er-Jahre habe ich nur am Rand mitbekommen. Dafür war ich etwas zu jung, aber trotzdem kommen bei solchen Büchern dann doch manche Erinnerungen auf. Wie zum Beispiel die Kassetten. DSA ist mir tatsächlich nur aus der Serie "Stranger Things" bekannt. Dadurch habe ich ein gutes Bild davon bekommen.

      Oh ja, das Ende hat es wirklich in sich. :D Zwar spürt man dann schon, was da abgeht, dennoch war es einfach mal so richtig schön anders.

      Schönen Sonntag & liebe Grüße
      Nicole

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  3. Huhu Nicole,

    Wow, das klingt ja echt nach einem tollen Horrorroman, hört sich tatsächlich ein wenig nach "Es" von King
    an. Ich glaube, auf so ein Buch hätte ich auch wieder mal richtig Lust. Coming of Age und Horror passen perfekt zusammen. :)

    Bei mir ist der Horrorbereich irgendwie seit einiger Zeit etwas eingeschlafen
    Leider .... Ich hoffe, das ändert sich wieder.

    Liebe Grüße
    Jessi

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    1. Hallo Jessi,

      ich bin mir relativ sicher, dass es deinen Geschmack treffen könnte. Ja, dieser Grundaufbau erinnert deutlich an "Es", dennoch ist es ganz anders. :D Der Autor hat schon sein eigenes Süppchen gekocht.

      Nein, das kann ich von mir nicht behaupten. :D Ich muss mich manchmal eher zwingen, zwischendurch auch was anderes zu lesen. Das tut mir dann auchi mmer gut. Aber es gibt so viele Genres und muss ja nicht zwingend Horror sein.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  4. Hey Nicole,
    das Buch ist mir in letzter Zeit öfters über den Weg gelaufen, aber irgendwie habe ich mich noch nicht dran getraut. Jetzt werde ich ihn mir auf jeden Fall mal vornehmen. :)

    Liebe Grüße
    Steffi

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    1. Hallo Steffi,

      das ist eins dieser Bücher, die ich zuerst ewig auf der Wunschliste und danach am SuB hatte. :D Jedenfalls hat es sich für mich gelohnt. Ich kann schwer einschätzen, ob es auch etwas für dich ist. Einfach ausprobieren. :)

      Liebe Grüße
      Nicole

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