© Droemer Knaur |
Meine Bewertung ★★★★★
SHORT FACTS
Titel: Nachruf auf den Mond
Autor: Nathan Filer
Verlag: Droemer Knaur 2015
Seiten: 320
ISBN: 9783426281246
Matt und Simon, Simon und Matt
Matt bringt seine Geschichte zu Papier, er erzählt von seinem bisherigen Leben und wie sich darüber von Anfang an der Schatten seines Bruders legt. Denn sein Bruder Simon ist längst tot, doch verlassen hat er ihn dennoch nicht.
Matthew ist Patient in der Psychiatrie. Er hat den Tod seines großen Bruders Simon nie verkraftet, gibt sich daran selbst die Schuld und es ist ihm zumindest ein Trost, dass Simon nicht nur in ihm sondern mit ihm weiterlebt. Denn Matt ist schizophren und hat nicht nur mit seinem eigenen Geist sondern vor allem mit dem seines Bruders zu kämpfen.
Kern der gesamten Handlung ist Matts Weg zur Erkrankung und wie er zumindest irgendwie zu genesen versucht, obwohl er sich nicht einmal sicher ist, ob er das überhaupt will, weil es bedeuten würde, Simon zu verlieren. Matt selbst würde es so ausdrücken:
„Ich richte meinen Blick zwanghaft nach innen. Meine Gedanken kreisen ausschließlich um mich, so wie diese Geschichte. Es geht um meine Gefühle, meine Gedanken, meine Trauer.“ (S. 277)
Aber nicht nur! Der Autor zeigt, wie sich psychische Erkrankungen in den Alltag einschleichen und wie lange es dauern kann, bis sie als solche begriffen werden. Er beschreibt traumatisierte Eltern, die mit der Situation überfordert sind, und eigentlich nur das beste wollen und damit vielleicht das schlimmste anrichten.
Nathan Filer geht aber auch auf die Umstände in Nervenheilanstalten ein. Zeigt, wie sich alle zwar wohlwollend bemühen, und es dennoch viel zu wenig Aufmerksamkeit für die einzelnen Patienten gibt. Er zeichnet ein Bild von tristen Raucherhöfen, überarbeitetem Pflegepersonal, das schon einmal die Grundregeln der Pilleneinnahme vergisst, und Menschen, die in ihrem Job alles geben und trotzdem nicht das Mindeste schaffen können. Hier merkt man meiner Ansicht nach, dass der Autor von seinen eigenen Erfahrungen als Pfleger schöpft, und die Chance ergreift, um auf Missstände hinzuweisen.
Die Geschichte von Matt und Simon bzw. Simon und Matt ist sehr drückend beschrieben. Matt wendet sich persönlich an den Leser, in dem er in der Psychiatrie mit dem Computer schreibt oder in seiner bescheidenen Wohnung in die Tasten einer alten Schreibmaschine haut. Matts geistigen Zustand entsprechend ist der Erzählstil teilweise verworren, denn der junge Mann ist eben an Schizophrenie erkrankt. Manchmal führt er den Leser genau wie sein Umfeld an der Nase herum, dann schlägt er mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit zu oder ist sich selbst nicht so sicher, was überhaupt noch der Realität entspricht.
Dieser Erzählstil war sehr fordernd und gleichzeitig interessant zu lesen. Manchmal hatte ich das Gefühl tatsächlich Matts Notizen in den Händen zu halten, diese Zettel, auf denen er seine Seele entblößt, und die ich als Leser in seiner schäbigen Wohnung gefunden und an mich genommen habe.
Spannend ist auch, dass Matt dem Leser lange vorenthält, was überhaupt mit Simon geschehen ist. Gleich zu Beginn stellt er seinen großen Bruder vor, den er über alles liebt, nur um darauf hinzuweisen, dass man sich gar nicht erst an ihn gewöhnen soll:
„ … bei der Gelegenheit kann ich Ihnen meinen Bruder vorstellen. Er heißt Simon. Ich glaube, Sie werden ihn mögen. Wirklich. In ein paar Seiten wird er tot sein. Danach war er nie mehr derselbe.“ (S. 11)
Die Geschichte von Matt und seinem Bruder Simon war für mich eine spezielle Lektüre und regelrecht beklemmend zu lesen. Es ist ein behutsamer Einblick in eine geschundene Seele, dabei zeigt der Autor Zustände in Psychiatrien auf und möchte dem Leser vielleicht mitteilen, dass ein geistig verwirrter Mensch einfach nur krank ist, und genau deshalb Hilfe braucht.
Hallo Nicole!
AntwortenLöschenDas Buch hab ich auf meiner Wunschliste, zögere aber immer noch ein bisschen, weil ich mir nicht so sicher bin, wie das Buch auf mich wirken wird. (habe selber in meiner Familie einen Fall von Schizophrenie und bin da deshalb etwas vorsichtig) Aber du hast es sehr schön beschrieben :)
Wenn ich mal in der richtigen Stimmung bin, werde ich es auf jeden Fall auch lesen.
Liebste Grüße, Aleshanee
Hallo Aleshanee,
Löschenich denke, bei solchen Themen kommt es wirklich auf die richtige Lesestimmung an, es ist bestimmt nichts für Zwischendurch. Und wenn man dann auch noch selbst durch ein Familienmitglied betroffen ist, dann ist es natürlich noch viel härterer Stoff. Ich kann nur schwer beurteilen, ob es realen Fällen gerecht wird, aber der Autor hat zumindest Aufmerksamkeit dafür geschaffen.
Liebe Grüße,
Nicole
Das ist auch ein Grund, warum mich das Buch interessiert - wie das Thema dort behandelt wird und wie es sich mit meinen Erfahrungen deckt. Deshalb: Lesen werd ichs auf jeden Fall ;)
LöschenHey Nicole,
AntwortenLöschenhabe dich getaggt (ich hoffe, das ist okay...?), hier findest du die neun Fragen:
awkward-dangos.blogspot.de/2015/08/tag-book-courtship-tag.html
Liebe Grüße,
Lena :)
Hallo Lena,
Löschenda bin ich gern dabei. Dauert aber noch etwas, bis ich dazu kommen werde.
Liebe Grüße,
Nicole
Hallo Nicole,
AntwortenLöschenbei dem Buch war ich bisher immer etwas unsicher, da ich das Cover nicht so richtig einordnen konnte. Klingt jedoch nach einer sehr berührenden Geschichte und ich werde es gleich mal auf meinen Wunschzettel setzen.
Liebe Grüße und einen schönen Feiertag
Diana
Hallo Diana,
Löschenja, berührend trifft es, weil man in Matts kranken Geist eintaucht und spürt, wie er irgendwie damit zurecht kommen will.
Liebe Grüße,
Nicole