Sonntag, 8. Mai 2016

Rezension: Christine - Stephen King

© Random House
Meine Bewertung ★★★

SHORT FACTS

Titel: Christine
Autor: Stephen King
Verlag: Heyne 2011
Seiten: 896
ISBN: 9783453435728

  

Liebe auf den ersten Blick

Es war tatsächlich Liebe auf den ersten Blick als Arnie den verrosteten 58er Plymouth Fury am Straßenrand sah und wusste, dass es sein Auto ist. Er musste diesen Wagen unbedingt haben, egal wie heruntergekommen das Ungetüm war. Dieser oder keiner, denn er hat sich sofort in das Auto verliebt, dass ab sofort nur mehr Christine genannt wird. Und man sieht, wie schnell Liebe zu Besessenheit werden kann.


Stephen King hat einen Faible für Autos, zumindest habe ich mir das schon öfter gedacht, weil es doch einige Werke von ihm gibt, in dem er ein Auto zum Grauenvollen stilisiert. Vor der Lektüre habe ich mich aber schon gefragt, ob ein Buch über einen 58er Plymouth Fury überhaupt interessant sein kann, doch der Autor hat mich mal wieder eines Besseren belehrt.

„Christine“ ist erstmals 1983 erschienen und die Handlung spielt dementsprechend in den späten 70er-Jahren. Neben Christine stehen die Jungen Dennis Guilder und Arnie Cunningham im Vordergrund, die gerade dabei sind, die Schule zu beenden und das richtige Studium für sich auszuwählen.


Die Geschichte wird zuerst von Dennis Guilder - Arnies besten und leider einzigen Freund - erzählt. Dennis war dabei, als sich Arnie in Christine verliebte. Dennis hat versucht, seinem Freund diesen Fehlkauf auszureden. Denn schon allein beim Gedanken an das Geld, das man in die Reparatur investieren müsste, hat ihm den Magen umgedreht. Und Dennis war auch der Erste, der Arnies verrückten Spleen mit dem Oldtimer akzeptiert und ihm den Rücken gegen seine Eltern stärkt. Außerdem war er auch der Erste, dem aufgefallen ist, dass mit Christine etwas nicht stimmt und sich Arnie langsam aber sicher wie ein Wahnsinniger benimmt.


Wer sich mit Stephen Kings Werken auseinandersetzt weiß, dass der Horror im Detail steckt. Zuerst wird man mal eingelullt. Die Charaktere breiten ihr Leben vor dem Leser aus, lassen ihn teilhaben, führen ihn in ihre Welt ein und langsam, ganz langsam, tut sich das Grauen auf. So ist es auch bei diesem Werk. 


Zwar ist Dennis von Vornherein bewusst, dass mit Christine etwas nicht stimmen kann, aber er tut es als Einbildung oder unbewusste Eifersucht auf die Freizeit des Freundes ab. Immer drastischer wird die Veränderung, die Arnie durchläuft, und dann kommt Dennis zu dem Punkt, an dem er die Augen nicht mehr vor dem Entsetzlichen verschließen kann.


Gerade diese Erzählart gefällt mir immer wieder ausgesprochen gut. Ich mag es, wenn ich die Figuren kennenlerne, wenn sie mir ihr Leben und ihre Gedanken zeigen, und dann auch noch so plastisch wirken, als ob sie aus der Realität gegriffen werden. Manchmal stelle ich mir vor, dass Stephen King nicht nur als Autor der Meister des Horrors ist, sondern eigentlich ein boshafter Wechselbalg, der echte Menschen mit Hilfe der Hölle in seine Bücher steckt, weil sie beim Lesen so lebendig auf mich wirken.


Mit „Christine“ greift er mehrere Themen auf, die sich allesamt rund in das Gesamtbild einfügen. Einerseits setzt er sich mit Besessenheit im weltlichen Sinn auseinander. Also damit, dass ein Mensch in einer Sache oder Tätigkeit so aufgehen kann, dass ihm alles rundherum egal zu werden droht. Andrerseits stellt er die Bereiche Freundschaft, Veränderung und das Erwachsen werden in den Raum, welchen er durch den „Nachhall des Bösen“ einen schaurigen Horror-Anstrich verleiht.


Die Horror-Elemente sind wahnsinnig gut durchdacht und die hier eingebrachte Vorstellung vom Alltagsgegenstand Auto, der ein Eigenleben hat, finde ich schauriger als irgendein Monster, das direkt aus der Hölle kommt. Wenn ich mir vorstelle, dass mich mein Auto plötzlich attackiert, weil ich es vernachlässigt habe, oder sich selbstständig auf Achse macht, weil es auf Menschen in meinem Leben eifersüchtig ist, bekomme ich es richtig mit der Angst zutun.


Auch Kings „Christine“ hat seine Längen, seine Momente des Grauens und lebendigen Charaktere. Es ist ein guter King, im typischen Stil geschrieben, und lädt nicht nur den routinierten Kingleser zum Fürchten ein.


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2 Kommentare:

  1. "Manchmal stelle ich mir vor, dass Stephen King nicht nur als Autor der Meister des Horrors ist, sondern eigentlich ein boshafter Wechselbalg, der echte Menschen mit Hilfe der Hölle in seine Bücher steckt, weil sie beim Lesen so lebendig auf mich wirken." - ganz, ganz toll beschrieben! Ich glaube, den Gedanken von King als Wechselbalg werde ich nun nicht mehr los ;)

    Viele Grüsse
    Jari

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    1. Hallo Jari,

      den Verdacht habe ich schon länger, daher wurde es mal Zeit, es auszusprechen. ;-)

      Liebe Grüße,
      Nicole

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