Dienstag, 14. Juni 2016

Rezension: Still. Chronik eines Mörders - Thomas Raab

© Argon Verlag
Still. Chronik eines Mörders
| Thomas Raab |

Verlag: Argon Verlag 2015
Dauer: 9 h : 04 min (gekürzt)
ISBN: 9783839813515
Sprecher: Frank Arnold

MEINE BEWERTUNG

 ★ - 



Chronik eines Mörders

Stille. Karl Heidemann sehnt sich nach Stille und es gibt nur eines, dass ihn vom Lärm erlöst. Der Tod.

Diese Geschichte schildert den Lebensweg von Karl Heidemann, der von Geburt an durch sein feines Gehör am Lärm leidet. Mit der Zeit lernt er, dass ihm vor allem eines die ersehnte Ruhe bringt, und zwar der Tod, den er anderen lautlos bringt. 

Es wird ganz genau das beschrieben, was der Titel verspricht. Es handelt sich tatsächlich um die Chronik eines Mörders, des Mörders Karl Heidemann. Karl, der von Anfang an sehr seltsam ist, Karl, mit dem sich die Eltern kaum zu helfen wissen, Karl, der mit seinem feinem Gehör in einer eigenen Welt lebt, und Karl, der im Tod die Erlösung von den Qualen des Lebens sieht.


Gleich zu Beginn hat sich mir der Vergleich mit Patrick Süskinds „Das Parfum“ aufgedrängt und diese starke Ähnlichkeit hielt bis zuletzt an. Statt der Nase sind es hier die Ohren, statt dem 18. Jahrhundert spielt die Handlung in der Gegenwart, und statt Frankreich und Italien, ist es in Karl Heidemanns Chronik der deutschsprachige Raum. Obwohl ich dem Autor hier nichts unterstellen mag, ist es meiner Meinung nach eine nicht ganz so gelungene Kopie des weltberühmten Klassikers, die insofern verändert ist, dass er sich einfach anderer Elemente bedient hat.


Karl ist ein sehr seltsamer Mensch. Das feine Gehör macht ihm das Leben schwer, weil er die alltägliche Geräuschkulisse oder sogar nur ein gehauchtes Flüstern kaum erträgt. Dadurch wächst er abgekapselt vom Familienleben, von der Dorfgemeinschaft und insgesamt von der Gesellschaft auf, was ihn zu einem noch merkwürdigeren Erwachsenen macht.


Allerdings kann ich nicht verstehen, warum sich Karl manche Ansichten auf so weltfremde Art zusammenreimt, weil er einerseits Eltern und einen Lehrer hat, andrerseits seine Nase wissbegierig in Bücher steckt, und da sollte man meinen, dass er doch eher mit gesellschaftlichen Werten und Normen vertraut ist, als es in der Handlung der Fall ist.


Die Stille und die Ruhe sind nicht nur das tragende Thema der gesamten Handlung, sondern treffen ebenso auf die Erzählweise zu. Es wird ruhig von den Ereignissen berichtet, was durchaus passend und fesselnd ist.


Den Sprachstil habe ich als altmodisch empfunden und er hat mich an ein Märchen erinnert, das aus auktorialer Perspektive erzählt wird. Manchmal wird weit ausgeholt, wenn es um die Eltern von Karl geht. Dann wird Karls Gefühls- und Gedankenwelt beschrieben, die stark vom quälenden Lärm und dem Unverständnis gegenüber seiner Umwelt geprägt ist. Dieser märchenhafte, teilweise ausholende, Erzählstil hat mir sehr gut gefallen, weil es trotz der modernen Zeit, in der Karls Geschichte spielt, gut zu ihm und den Ereignissen passt.


Thomas Raab hat sich mit „Still. Chronik eines Mörders“ bekannter Elemente eines weltberühmten Klassikers bedient und diese in ein modernes Umfeld in unsere Gegenwart gesetzt. Damit hat er auf jeden Fall die interessante Chronik eines vom Lärm gequälten Mörders geschaffen, wenn mir persönlich auch die Ähnlichkeiten zu frappierend und die Erzählung an sich etwas zu aufgesetzt war. 


Wer sich aber für die Entwicklung einer vom Lärm geplagten Seele in unseren Breitengraden interessiert und sich vom ruhigen Erzählstil einnehmen lassen will, wird in Thomas Raabs stiller Mörder-Chronik eine faszinierende Geschichte finden.

________________
MEINE BEWERTUNG 
★★★

Mehr über Karl Heidemann auf Amazon* erfahren:
Still. Chronik eines Mörders - Thomas Raab
*Affiliate-Link via Amazon

4 Kommentare:

  1. Ich war damals bei der Lesung zum Buch und Thomas Raab hat erzählt, dass er diese Geschichte schon sehr lange im Kopf hatte und sie ihm bei einem Urlaub eingefallen ist, als er auf zwei Menschen aufmerksam wurde. Sicherlich wird immer die Ähnlichkeit zum Parfüm aufgegriffen, aber so ähnlich finde ich die gar nicht....außer natürlich der augenscheinlichen parallele zu Geruch- und Hörsinn.
    Mir gefiel das Buch sehr gut...5 Sterne habe ich aber auch nicht gegeben.
    Liebe Grüße
    Martina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Martina,

      gefallen hat es mir bis auf die angeführten Kritikpunkte auch. Trotzdem musste ich ständig an "Das Parfum" denken, auch die Art, wie die Geschichte erzählt wurde, war Süskind so ähnlich.

      Aber ich kann mir auch vorstellen, dass es an der gekürzten Hörbuchversion liegt.

      Liebe Grüße,
      Nicole

      Löschen
  2. Hallo Nicole,

    mir hat das Buch und gerade der Schreibstil von Thomas Raab sehr gut gefallen und habe es sehr gerne gelesen. Ich weiß allerdings nicht, wie das Hörbuch ist, aber ich finde, dass nicht jedes Buch sich als Hörbuch eignet und da zähle ich dieses dazu. Wenn der Vorleser/IN dies nicht gut liest, mag ich die Geschichte weniger.

    Das Buch spaltet unsere "Gemeinde" :), ich kann es ganz klar empfehlen und war damals mein Monatshighlight.

    Liebe Grüße,
    Uwe

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Uwe,

      aha, von welcher "Gemeinde" ist denn jetzt die Rede? :-) Ich hoffe mal nicht, dass "Still" einen Keil zwischen die Buchliebenden treibt! :-D

      Aber vielleicht hast du Recht und es liegt tatsächlich an der gekürzten Hörbuchversion. Bestimmte Bücher sollte man wohl besser lesen und nicht hören. Trotzdem ist es sicher nicht am Sprecher gelegen, der hat einen guten Job gemacht.

      Liebe Grüße,
      Nicole

      Löschen

Mit Nutzung der Kommentarfunktion akzeptierst du die Speicherung deiner Daten. Mehr dazu in der Datenschutzerklärung