Dienstag, 12. April 2022

Rezension: Die Ladenhüterin - Sayaka Murata

Die Ladenhüterin - Sayaka Murata
© Aufbau Verlag
Die Ladenhüterin
| Sayaka Murata |

Verlag: Aufbau 2019
Seiten: 145 
ISBN: 9783746636061

MEINE BEWERTUNG 
- ★★★
 - 



Im japanischen Supermarkt 

Keiko arbeitet als Aushilfe im Supermarkt und findet darin ihre Bestimmung. Gesellschaftlich wenig akzeptiert, sorgt sie dafür, dass die Kunden freundlich begrüßt, Waren perfekt sortiert und korrekt kassiert werden. Für Keiko ist dieser Job alles, auch wenn sie dadurch ins Abseits gerät.

Ich möchte allgemein ein bisschen bunter lesen und greife deshalb gezielt zu Büchern, die mich aus meinem üblichen Schema führen. „Die Ladenhüterin“ habe ich aufgrund einer Empfehlung gelesen, weil ich in japanische Literatur schnuppern will. 

Dieses Buch zeigt ein Bild von der japanischen Gesellschaft, das ich nur in Teilen verstehe, mich aber ausgezeichnet unterhalten hat und mir Einblicke in diese Kultur gewährt.

Hauptfigur Keiko war schon immer anders als andere Kinder in ihrem Alter. Sie ist in ihrer Kindheit durch Fehlverhalten aufgefallen, versteht es nicht, sich an gesellschaftliche Vorstellungen anzupassen, und hat dadurch, einen rumpelten Start ins Leben. 

Dabei ist sie keine typische Querulantin und legt sich nicht bewusst mit den gesellschaftlichen Normen an. Es ist eher so, dass sie die Vorstellungen und Werte nicht begreift. 

Als Erwachsene hat sie dennoch ihre Berufung gefunden und arbeitet als Aushilfskraft in einem Konbini. Das Wort Konbini ist die japanische Abkürzung für Convenience Store. Es handelt sich dabei um einen Mini-Supermarkt, der das ganze Jahr über rund um die Uhr offen hat.

Damit sieht sich Keiko als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, was sich darin äußert, dass sie von Familie, Freunden und Bekannten ihre Ruhe hat. Vorläufig drängt sie niemand, einen qualifizierteren Beruf zu ergreifen, zu heiraten oder sich anderweitig der Gesellschaft als würdig zu erweisen.

Doch mit zunehmenden Alter steigt der Druck auf Keiko. Was anfangs als Übergangslösung akzeptiert wird, wird nicht als ihre Berufung hingenommen. Sie wird gedrängt, einen ordentlichen Beruf zu ergreifen, einen Mann zu finden und eine Familie zu gründen.

Der:die Leser:in erfährt anhand von Keiko den Alltag im Konbini und merkt rasch, wie wichtig diese Anstellung für sie ist. Sie geht förmlich in ihrem Berufsalltag aus Kundenumgang, zügiger Kassiertätigkeit und perfekter Warenanordnung auf und ist sich durchaus ihrer Andersartigkeit bewusst. Um diese zu überspielen, imitiert Keiko ihre Arbeitskolleg:innen im Supermarkt. Sie schaut sich Sprech- und Verhaltensweisen ab, um im Alltag zu bestehen.

Da ich mit japanischen Werten und Normen nicht vertraut bin, habe ich diesen Roman bestimmt nicht durchgängig verstanden. Trotzdem hat es mir ausgezeichnet gefallen, einen Blick in diese Kultur zu erhaschen. Anhand von Keiko erfährt der:die Leser:in von dem Druck, der in Japan herrscht, wenn man nicht den Erwartungen entspricht. Wenn ich es richtig verstehe, liegt den Japaner:innen sehr viel daran, Anerkennung zu erhalten und ein tüchtiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. 

Keiko verkörpert mehr oder weniger das Gegenteil. Sie ist unverheiratet und eine Aushilfskraft im Konbini. Demzufolge weist sie keine gesellschaftlichen Erfolge auf. Es ist vielmehr ein Affront, dass sie trotzdem mit ihrem Leben zufrieden ist.

Meine Beschreibung liest sich trocken, dabei glänzt Autorin Sayaka Murata durch eine charmante Darstellung und Sinn für seidige Skurrilität. Sie beschreibt den Alltag im Supermarkt und Keikos Herangehensweise, ihre Gedankengänge und was passiert, als sie im Konbini auf einen weiteren Außenseiter trifft.

Mir hat mein Ausflug in einen japanischen Konbini an der Seite der Ladenhüterin erstaunlich gut gefallen. Ich bin mir sicher, dass ich mich ein weiteres Mal in die Gefilde japanischer Literatur wage und empfehle dieses Buch an jene, die leise, charmante und gesellschaftskritische Geschichten mögen.

____________________
MEINE BEWERTUNG
★★★★

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10 Kommentare:

  1. Liebe Nicole

    Wie schön, dass dir das Buch gefallen hat, ich habe es ja seeeehr geliebt. Klar, wenn man mit dem Stil und der Kultur nicht so vertraut ist, kann das sicher manchmal auch irritierend oder undurchsichtig sein, das hat mich aber überhaupt nicht gestört und ich wurde vom Buch richtiggehend mitgerissen.

    Alles Liebe an dich
    Livia

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    1. Hallo Livia,

      ich empfand das Buch als sehr interessant und es hat einen spannenden Einblick in dieses "Ladenhüter-Leben" in Japan gegeben. Ich denke, wenn ich mehr Bücher von japanischen Autoren lese, dann werden auch manche Hintergründe klarer werden. Es ist jedenfalls sehr faszinierend, in fremde Kulturen zu schnuppern, die einerseits ähnlich und doch auch anders sind.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  2. Hallo Nicole,

    es freut mich, dass dir "Die Ladenhüterin" so gut gefallen hat. Ich war schon sehr auf deine Meinung zu diesem Buch gespannt. Anfangs musste ich mich in das Buch auch einfuchsen, aber wenn man sich erstmal daran gewöhnt hat, offenbart sich ein interessanter Einblick in die japanische Gesellschaft. "Frau Shibatas geniale Idee" von Emi Yagi kann ich dir auch sehr empfehlen.

    Liebe Grüße
    Nico :)

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    1. Hallo Nico,

      danke dir nochmals für den Tipp! "Frau Shibatas geniale Idee" habe ich mir schon vorgemerkt. Ich finde die Idee von der vorgetäuschten Schwangerschaft total witzig. :D

      Es wird wohl noch dauern, das Buch hat doch einen stolzen Preis. Da warte ich noch ein bisschen.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  3. Huhu Nicole,

    Ich habe das Mann mit meinem Mann als Hörbuch gehört, wir waren beide etwas zwiespältig, aber das lag mehr daran, dass wir ja echte Freigeister sind.
    Mit der japanischen Kultur sind wie recht vertraut mittlerweile durch zahlreiche Serien/Filme/Animes und es ist doch spannend, aber auch ein klein wenig traurig, welcher Druck dort innerhalb der Gesellschaft herrscht. Leider ist die Selbstmordrate gerate bei jüngeren Menschen in Japan ja sehr hoch, weil sie früh darauf vorbereitet werden, ein gutes Mitglied der Gesellschaft zu werden.

    Positiv fand ich an "Der Ladenhüterin" aber, dass es zeigt, dass nicht jeder rebellieren knd ausbrechen muss und dass es eben Mensxhen gibt, die wirklich vom ganzen Herzen zufrieden mit den kleinen Dingen sind.

    Liebe Grüße
    Jessi

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    1. Hallo Jessi,

      ja, ich fand es auch etwas verstörend auf diese Art in die japanische Gesellschaft einzutauchen. Zu einem Freigeist gehört ja auch dazu, dass man unabhängig von gesellschaftlichen Normen in einer Berufung aufgehen kann. Wie hier zum Beispiel die kinderlosee, studierte Supermarkt-Mitarbeiterin. Das fand ich sehr schön ausgearbeitet. Man muss sich im eigenen Leben wohlfühlen und darf sich nicht von den anderen verunsichern lassen.

      Japan ist doch recht extrem. Die sind schon zur absurden Leistungsgesellschaft geworden.

      Liebe Grüße
      Nicole

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    2. Huhu Nicole,

      passend zur Leistungsgesellschaft Japans habe ich gestern einen Bericht im Radio gehört, dass da die Bahn superpünktlich ist und im Durchschnitt nur 25 Sekunden Verspätung im Jahr hat - Weil sie enormen Druck auf die Bahnfahrer ausüben, die schon etwas von dem Gehalt abgezogen bekommen, wenn sie nur eine Minute zu spät kommen ... Da wurde auch berichtet, dass viele Menschen dort Selbstmord begehen, weil sie immer Angst haben, ihren Job zu verlieren. Das ist etwas, das ich bei Japan so gruselig finde.

      Aber wir leben ja in einer ganz anderen Kultur, es ist sicher etwas ganz anderes, damit groß zu werden. Vor ein paar Jahren ging mal ein Video viral, was ich seitdem nie vergessen habe ... Da sprang ein Jugendlicher mitten in einer Prüfung einfach aus dem Fenster ... Solch einen Druck sollte man Menschen nicht antun!

      Liebe Grüße
      Jessi

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    3. Hallo Jessi,

      ja, das kann ich mir auch überhaupt nicht vorstellen. Kürzlich habe ich gelesen, dass es ein Zeichen von Leistung ist, wenn man so überarbeitet ist, dass man am Arbeitsplatz einschläft. Dann wird man respektiert.

      Dass man nur lebt um zu arbeiten, das finde ich schon bedenklich und arg. Es gibt immer wieder Phasen, in denen man wirklich den Riemen enger schnallen muss und nach dem Motto "Augen zu und durch" agiert, weil es die Situation erfordert. Aber auf Dauer geht das gar nicht. Wie du schon sagst, die Japaner sind es gewöhnt. Andrerseits macht es wie auch fertig, weil ansonsten die Selbstmordrate nicht so hoch wäre. Also, ich bin froh, dass ich keine Japanerin bin.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  4. Hallo Nicole,

    das liest sich ja mal spannend anders. Aber sie ist nicht Autistin, oder? So hört es sich erstmal an. Ich denke, ich werde mir das Buch mal auf die Wunschliste setzen. Vielleicht hat es ja die Bücherei. Einfach mal aus seiner Wohlfühlzone zu treten, finde ich ja auch immer wichtig.
    Danke, für die Vorstellung.

    Liebe Grüße und schöne Feiertage
    Petrissa

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    1. Hallo Petrissa,

      nein, zumindest wird im Roman nicht geschrieben, dass sie Autistin ist. Sie ist etwas anders, aber der Grund dafür wird nirgends besprochen.

      Ich fand es sehr interessant, weil es von der Gesellschaft her fremdartig ist. Genau, ich möchte auch wieder ein bisschen mehr aus der gewohnten Komfortzone gehen und ein bisschen bunter lesen. Asiatische Autor:innen habe ich bisher kaum gelesen, daher will ich ein bisschen mehr zu solchen Büchern greifen.

      Liebe Grüße und schöne Ostern
      Nicole

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