Montag, 18. April 2022

Rezension: Sprengstoff - Stephen King

| Stephen King |

Verlag: Heyne 2013
Seiten: 448 
ISBN: 9783453436909

MEINE BEWERTUNG 
- ★★★
 - 



Wenn die Lunte brennt

Mitten in der Energiekrise von 1973 soll in Smalltown der Highway gebaut werden. Dem unaufhaltsamen Bau müssen Straßen, Fabriken, Familienhäuser und komplette Siedlungen weichen. Barton Dawes lebt in einem dieser Häuser und er wird alles, wirklich alles tun, um das zu verhindern.

„Sprengstoff“ ist ein Roman von Stephen King, der ursprünglich unter dem Pseudonym Richard Bachman veröffentlicht wurde. Im Vergleich zu Kings gewohntem Horror, beschreibt er als Bachman vermehrt das Grauen der Realität, das sich als beklemmender Schatten auf die Menschen legt.

Hauptfigur Barton ist auf den ersten Blick ein normaler Mann. Er lebt mittlerweile 20 Jahre in dem Haus, das abgerissen soll, ist verheiratet und ist in höherer Position in einer Fabrik tätig. Unter dieser aufgeputzten Fassade des ersten Eindrucks, schimmern Narben und Kerben durch, die ihm das Leben in die Seele schlug, wie es meiner Meinung nach bei jedem Menschen um die Vierzig ist.

Das Abrissdatum rückt immer näher und Barton legt die Hände in den Schoß. Stoisch nimmt er die Entwicklungen um ihn wahr, sieht, wie die Menschen um ihn herum die erzwungene Veränderung annehmen, und beschließt für sich, dass er nicht mitspielen wird.

In „Sprengstoff“ erschuf King einen Charakter, der voll und ganz dem Titel entspricht. Sprengstoff ist sauber, leise, kann mühelos gelagert werden, und ist ungefährlich, bis die Lunte angesteckt wird. Genauso zieht sich Bartons Entwicklung durch den Roman. King zeigt das zerfurchte und beängstigende Antlitz eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat. 

"Aber selbst diese Erfahrungen, so schlimm sie auch gewesen sein mochten, waren etwas Aufregendes, Neues gewesen, so wie der Gedanke, dass er wahnsinnig geworden war oder wenigstens auf dem besten Weg dazu." (S. 348)

Für mich war es ein emotionaler Roman, der mich stark aufwühlte. Der Protagonist wirkt äußerst beängstigend, weil er sich aufgegeben hat. Der Bau der Straße beziehungsweise der bevorstehende Abriss seines Hauses, hat Barton völlig ausklicken lassen. Dabei ist es weniger Furcht einflößend, dass er durchdreht, sondern die Art, wie es geschieht, geht unter die Haut. 

Der:die Leser:in begleitet Barton durch eine Chronologie zerstörerischer Entscheidungen, die er mit einer lockeren Leichtigkeit und unverhohlener Arroganz trifft, dass mir die Luft weggeblieben ist. Ich bin selten einer Romanfigur begegnet, die in mir derart negative Gefühle auslöste. Trotzdem ist Barton kein schlechter Kerl. Man merkt, dass er im Grunde nur das Beste wollte und sich nun für einen abweichenden Weg entschieden hat.

„Sprengstoff“ ist kein einfacher Roman. Die Stimmung und der geistige Zustand der Hauptfigur verströmen eine bedrohliche und depressive Atmosphäre, die sich von Seite zu Seiten und Kapitel zu Kapitel steigert, als ob die Lunte brennt.

Dabei bleibt der Schreibstil ruhig, leise und einnehmend, es zischt manchmal und vielleicht lässt sich der Funke rechtzeitig austreten, wenn man schnell genug reagiert und die passenden Schuhe dafür trägt.

Meiner Meinung nach ist „Sprengstoff“ ein starker Roman, ein Ausflug in die dunkelsten Winkel der Seele eines Menschen, der sich zum Aufgeben entschieden hat und in stoischer Ruhe einen zerstörerischen Weg einschlägt, von dem er sich nicht mehr abbringen lässt. 

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MEINE BEWERTUNG
★★★★

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10 Kommentare:

  1. Huhu Nicole :D

    Da warst du ja echt fix :D Und du hast es perfekt in Worte gefasst, der Titel von dem Buch ist so passend.

    Ich bin nun schon echt auf unseren nächsten King gespannt und ob es uns in ähnlich düstere Gedankengänge entführt!

    Liebe Grüße
    Jessi

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    1. Hallo Jessi,

      ich musste die Gedanken dazu gleich in die Rezension umsetzen, damit ich nichts vergesse. Es war eine feine Leserunde und ich freue mich auf unseren nächsten King!

      Bin schon gespannt, ob es auch wieder so beklemmend wird. Wahrscheinlich schon.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  2. Hi Nicole!

    Das klingt ja echt gut - das heißt, ich kann mich drauf freuen :D

    Habt ihr schon einen Plan bzw. ein Datum für "Amok" im Mai?

    Oh und ich sehe grade, du liest und hörst zwei ganz tolle Bücher! Ich bin gespannt, wie sie dir gefallen!

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo Aleshanee,

      das Buch ist sehr beklemmend. Jessi hat noch etwas Heiteres nebenher gelesen, ich denke, das ist der richtige Zugang.

      Wir lesen "Amok" ab 9. Mai bei Jessi. Du kannst dich gern anschließen, wenn du magst.

      Stimmt, momentan habe ich zwei wahre Perlen 'in Arbeit'. "Junge mit schwarzem Hahn" haut mich um! Bei "Dunkelgrün fast schwarz" bin ich aktuell noch nicht so weit. Bisher mag ich es aber sehr.

      Liebe Grüße
      Nicole

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    2. Ja, da schließe ich mich gerne an! Ich hatte mir den Mai schon notiert, du hattest das schon mal erwähnt gehabt ;)

      Na das freut mich sehr! Den schwarzen Hahn fand ich großartig!

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    3. Sehr schön, dass es so gut passt! Ich freue mich!

      Den schwarzen Hahn habe ich heute beendet und bin völlig verzückt. Ich hatte Gänsehaut.

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  3. Liebe Nicole

    Das klingt ja wirklich super, wow und ich finde es auch toll, wie du deine Emotionen, die du beim Lesen gefühlt hast, in Worte gepackt hast.

    Alles Liebe an dich
    Livia

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    1. Hallo Livia,

      das freut mich, dass es gut rüberkommt. Das Buch war nicht einfach zu lesen, obwohl es ein tolles Buch ist.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  4. Hallo Nicole,
    wow, das ist eine echt tolle Rezension und macht direkt Lust das Buch zu lesen. :)
    Ich müsste auch bald mal wieder zu einem King'schen Werk greifen.
    Liebe Grüße
    Diana von lese-welle.de

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    1. Hallo Diana,

      danke dir! Bei dem Buch sollte man unbedingt etwas Flauschiges nebenher lässen. Es zieht einen stark runter. Momentan habe ich wieder eine kleine King-Phase. :)

      Liebe Grüße
      Nicole

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