Dienstag, 26. April 2016

Rezension: Jane Eyre - Charlotte Brontë

© Random House
Meine Bewertung ★★★

SHORT FACTS

Titel: Jane Eyre
Autor: Charlotte Brontë
Verlag: Manesse 2016 (erstmals 1847)
Seiten: 608
ISBN: 9783717524069

  

Jane Eyre

Dieser Klassiker erzählt die Geschichte von Jane Eyre, wie sie sich vom unscheinbaren Waisenkind zu einer charakterstarken Frau entwickelt. Weder Verschmähungen noch Versuchungen können ihr die Selbstachtung nehmen und was bleibt ist das eindrucksvolle Porträt einer Frau, die sich selbst als Mensch respektiert.


Die Geschichte dieser selbstbewussten Frau beginnt in ihren Kindheitstagen. Als Waise lebt sie bei der unbarmherzigen Tante, die ihr keinen Funken Liebe entgegen bringt. Von den Cousinen und dem Cousin verschmäht, von der Tante verteufelt, wird die kleine Jane auf ein Internat geschickt, in dem es ihr aber auch nicht viel besser ergeht.

Daraufhin ist Janes Lebensweg von harten Lehren, glücklichen Wendungen, schicksalshaften Begegnungen und unbarmherzigen Versuchungen geprägt. Dabei schafft sie es trotz allem, sich treu zu bleiben und sich selbst wie auch ihren Mitmenschen Respekt entgegen zu bringen.


Am besten hat mir an diesem Buch Janes Kindheit gefallen. Denn ich wurde sofort durch Charlotte Brontës dichten Schreibstil in die damalige Atmosphäre gezogen und konnte kaum fassen, was hier mit Jane geschieht.


Die Autorin hat aber nicht nur die Geschichte von ihrer Protagonistin Jane Eyre erzählt, sondern bereits zu dieser Zeit in ihrem Werk für Gleichberechtigung und gegenseitigen Respekt gekämpft:


„Es heißt, Frauen seien im Allgemeinen still und friedlich, aber empfinden genauso wie Männer, sie wollen genauso wie ihre Brüder ihre Talente anwenden und sich bewähren; sie leiden unter allzu strenger Einengung, unter völligem Stillstand genauso, wie die Männer leiden würden, und es ist engstirnig, wenn ihre bevorrechtigten Mitmenschen fordern, sie sollten sich damit begnügen, Pudding zu kochen und Strümpfe zu stricken, Klavier zu spielen und Taschen zu besticken. Es ist gedankenlos, sie zu verurteilen oder auszulachen, wenn sie mehr tun oder lernen wollen, als Sitten und Gebräuche für ihr Geschlecht vorsehen.“ (S. 174)


Ich vermute, dass eine solche (öffentliche) Denkweise für diese Zeit eher ungewöhnlich und sehr mutig war. Allein dafür hat sich die Autorin meine Hochachtung verdient.


Das Werk selbst lässt sich meistens exzellent lesen, trotzdem kommt es nicht ganz ohne zähe Stellen aus. Eine Passage hat besonders die Religion behandelt, was mir eine Spur zu sehr an Überhand gewann. Allerdings erhält man dadurch einen Einblick in Brontës Zeit und welches Verständnis vom Glauben dazumal üblich war, was für das Gesamtbild unumgänglich ist.


Mit einem weiteren anstrengenden Abschnitt hat man es vor dem Finale zutun, denn hier wurde mir eine Nebenhandlung zu sehr in den Vordergrund gerückt, obwohl ich eigentlich nur wissen wollte, wie es mit Jane weiter geht.


Obwohl sich die Geschichte über eine relativ lange Zeitspanne erstreckt und Jane Eyre vielen Personen auf diesem Weg begegnet, bleiben die Figuren überschaubar und sind prägnant dargestellt, womit man als Leser einen guten Überblick behält.


Jane schließt ihre Geschichte damit, dass sie von allen beteiligten Personen und deren Schicksal erzählt, was ich als krönenden Abschluss empfunden habe.


Nach der Lektüre habe ich tatsächlich das Gefühl Jane zu kennen, denn sie hat bei mir tiefen Eindruck hinterlassen und bleibt mir bestimmt lange im Bewusstsein haften. Sie hat mir von ihrer Kindheit, ihrem Leben und mysteriösen Ereignissen erzählt. Wir hatten viel zu lachen, zu weinen und zu bangen, haben gegen die Versuchung gekämpft und gegen das Unrecht aufbegehrt. Dabei ist sie mir mit ihrer ungewöhnlichen Geradlinigkeit vom ersten Augenblick an ans Herz gewachsen und wenn sie ein Mensch aus Fleisch und Blut wäre, hätte sie sich allein für die Achtung, die sie der Welt und sich selbst entgegenbringt, allerhöchsten Respekt verdient.


Ich denke, wer sich für Klassiker der Weltliteratur interessiert, wird in Jane Eyre einen der tiefsinnigsten und ehrlichsten Charaktere kennenlernen, der aus den letzten 200 Jahren Literatur hervorgegangen ist und sollte nicht zögern, ihr und Charlotte Brontë die Ehre zu erweisen.



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15 Kommentare:

  1. Hallo :)

    Ich mag deine Rezensionen zu den Klassikern wirklich sehr gern. Denn da kriegt man einfach Lust, sich auch mal an Bücher zu wagen, die man sonst nicht lesen würde. Weiter so!

    Viele liebe Grüsse
    Jari

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    1. Hallo Jari,

      danke! Ich werde mir weiterhin Mühe geben. Ein Klassiker pro Monat geht sich meistens aus.

      Ich denke auch, man muss sich einfach trauen. Die meisten Klassiker sind nämlich gar nicht so "altehrwürdig" geschrieben und aufgebaut wie man glaubt. Ich habe da schon etliche Überraschungen erlebt.

      Freut mich sehr, wenn ich damit andere zu Klassikern inspirieren kann. :-)

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  2. Deiner Einschätzung kann ich mich nur anschließen! :) Es ist zwar schon eine Weile her, seit ich dieses Buch gelesen habe, aber es ist mir auf jeden Fall noch immer im Gedächtnis. Jane ist einfach eine sehr beeindruckende Protagonisten, gerade vor dem Spiegel der Zeit und in Anbetracht ihrer Ausgangssituation. Und ich finde auch, es ist eine richtig grandiose Liebesgeschichte mit ihr und Mr. Rochester, teilweise einfach nur super skurril und lustig und doch mit der passenden Protion Drama :D

    Liebe Grüße
    MelMel

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    1. Oh ja! Die Liebesgeschichte ist wirklich skurril - das trifft es. :-D Mr Rochester ist ein wahrer Schelm, dem Jane aber gewachsen ist. Stimmt, in der Geschichte ist von allem etwas, im Grunde kann es danach nur glückliche Leser geben ... ;-)

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  3. Oh, langsam kommen meine Erinnerungen an Jane Eyre, die ich vor fast 2 Jahren gelesen habe, wieder zurück, wenn ich mir hier deine Rezension durchlese. ;)
    Sehr, sehr schön und gekonnt rezensiert. Lob!
    Kaum vorstellbar, wie die Frauen damals noch so eingeengt wurden bzw. man sie in die Rolle der Mutter und Hausfrau gezwungen hat. Mit Jane Eyre hat Charlotte Brontë einen weiblichen Charakter geschaffen, der emanzipierter war, als so manch andere Dame in der damaligen Literatur.
    War dieses Buch damals deswegen vielleicht sogar ein kleiner Skandal?

    Alles Liebe,
    Janine

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    1. Hallo Janine,

      danke dir! Diesmal ist die Rezi irgendwie von allein geflutscht. :-)

      Ja, das Buch war ein Skandal, aber so weit ich weiß, gar nicht wegen der Protagonistin, sondern weil es eine Frau geschrieben hat. Die meisten Schriftstellerinnen haben damals ein männliches Pseudonym verwendet. Charlotte Brontë hat damals zwar auch unter falschem Namen veröffentlicht, aber es war ein Frauenname. :-D

      Liebe Grüße,
      Nicole

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    2. Na sieh an, das wusste ich gar nicht. Wäre diese Wissenslücke nun auch gestopft. ;)

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  4. Huhu Nicole!
    Danke für diese wirklich tolle Rezension! Ich habe diesen Klassiker auch noch als Want to Read im Kopf und er ist für mich auch ein absolutes Muss! Nach deiner super Rezi auch noch ein bisschen mehr!
    Lieben Gruss, Petra

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    1. Hallo Petra,

      sehr schön, dass ich dir diesen Klassiker ins Gedächtnis rufe. Ich denke, dass du Jane bestimmt mögen wirst. Sie ist eine Wucht. :-)

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  5. Hallo Nicole,

    wow ich finde es echt großartig, wie du es schaffst, Rezensionen zu Klassikern zu schreiben - das finde ich unglaublich schwer. Aber du stellst das unglaublich sachlich und ehrlich und mit viel Verständnis für die Zeit und den Inhalt dar! Großes Lob und ja, ich sollte mir Jane Eyre eindeutig auch mal schnappen und lesen. :) Für den Mai habe ich aber einen anderen Klassiker geplant... mal sehen, ob das klappt. Dieser Stapel wird nämlich auch nicht kleiner... :)

    Liebe Grüße,
    Anna

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    1. Hallo Anna,

      danke dir, da werde ich gleich rot. Ich schreibe immer, was ich mir denke bzw. fühle, meistens flutscht es ganz von allein.

      Welchen Klassiker hast du dir denn für Mai vorgenommen?

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  6. Hallo Nicole,
    deine Rezension hat mich so sehr angesprochen, dass du damit meinem Wunsch, irgendwann all die Klassiker zu lesen bzw. zu re-readen, verstärkt hast.
    Im Moment schaue ich gern Verfilmungen an (Stolz&Vorurteil, Emma,...) und dabei bevorzuge ich die BBC-Version, die es auch von Jane Eyre gibt.
    Zu viele Neuerscheinungen ziehen gerade meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Aber wenn der Urlaub kommt, darf mich der eine oder andere Klassiker begleiten. Und darauf freue ich mich schon. ;-)
    Dank dir habe ich dieses Buch gleich auf die Urlaubs-Leseliste gesetzt und ich bin fast schon dazu verleitet, den Schuber zu kaufen, denn "Sturmhöhe" liebe ich und ein wiederholtes Lesen war schon geplant. ;-)
    Liebe Grüße, Hibi

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    1. Hallo Hibi,

      ich habe "Sturmhöhe" noch nicht gelesen, ich weiß, da muss ich mich fast schämen. Ja, bei dem Schuber wäre ich auch fast schwach geworden, dann wollte ich es doch nicht übertreiben, weil ich noch nicht wusste, ob mir Brontë gefallen wird. Ich administriere auf LB die Klassiker-Leserunden-Gruppe, vielleicht magst du dich uns anschließen, denn gemeinsam liest es sich meistens leichter.

      Ich lasse dir mal den Link hier:
      http://www.lovelybooks.de/gruppe/1080927143/klassiker_leserunden/

      Es läuft immer ganz zwanglos ab und hier darf man sich wirklich keinen Druck machen.

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  7. Liebe Nicole,

    früher habe ich total gerne Klassiker gelesen, aber mittlerweile lese ich so gut wie keine mehr. Letztes Jahr habe ich Sturmhöhe gelesen. Das konnte mich nicht so überzeugen. Jane Eyre steht noch in meinem Regal, aber irgendwie kann ich mich nicht dazu aufraffen, es zu lesen :) Nach deiner tollen Rezension stelle ich es gleich mal weiter nach vorne im Regal :)

    Liebe Grüße
    Nadine

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    1. Hallo Nadine,

      es freut mich immer, wenn ich zu Klassikern inspirieren kann. :-D Ich lese noch gar nicht so lange Klassiker. Ich glaube, ca. um 2013 herum habe ich damit angefangen. Ich will einfach wissen, warum diese Bücher Klassiker sind und versuche regelmäßig zu ihnen zu greifen.

      Auf LovelyBooks organisiere ich regelmäßig Leserunden zu Klassikern. Gemeinsam hält man oft leichter durch.

      Ich lasse dir mal den Link hier:
      http://www.lovelybooks.de/gruppe/1080927143/klassiker_leserunden/

      Liebe Grüße,
      Nicole

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