Sonntag, 27. Juli 2025

Rezension: Der dunkle Sommer - Vera Buck

Der dunkle Sommer - Vera Buck
© Argon Verlag
Der dunkle Sommer
| Vera Buck |

Verlag: Argon 2025
Dauer: 10 h : 26 min 
ASIN: B0DVLT2G8X
Sprecher: Leonie Landa, Laura Maire, Uve Teschner, u.a.

MEINE BEWERTUNG

 
★★★★- 




Zwischen Hitze, Schweigen und Schuld

Für Tilda soll ein verfallenes Haus auf Sardinien ein Neuanfang werden. Mitten in einem Bergdorf fängt sie mit der Renovierung ab. Das Dorf ist verlassen, liegt abgeschieden und der Ort birgt eine düstere Vergangenheit. Als unvermutet ihr Bruder Nino auftaucht, beginnt die Gegenwart zu bröckeln.

Ein verlassenes Haus auf Sardinien, ein heißer Sommer und eine Frau, die sich zurückzieht, um bei sich selbst anzukommen. Darum geht es in „Der dunkle Sommer“. Vera Buck hat es erneut geschafft, mich mit ihrer dichten Atmosphäre und viel Gespür für Zwischenräume zwischen Vergangenheit und Gegenwart einzufangen.

Ich habe bereits mehrere Bücher der Autorin gelesen und wurde auch dieses Mal nicht enttäuscht. Bisher war es sogar das beste Werk der Autorin für mich. Ihre Geschichten haben etwas Unterschwelliges, das zwischen den Zeilen mitschwingt. Genau das gefällt mir an ihrem Stil. 

Tilda, die Protagonistin, hat auf mich anfangs wie jemand gewirkt, der mutig neue Wege geht. Sie ist eine Frau, die ein heruntergekommenes Haus in einem leerstehenden italienischen Dorf kauft und ohne Rücksicht auf ihre Umgebung mit der Renovierung beginnt. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto deutlicher zeigt sich aber, dass Tilda zerrissen ist. Sie kapselt sich ab, schweigt vieles weg und kämpft mit einer Schuld, die sie gar nicht richtig fassen kann. Ihre Entwicklung hat mich jedenfalls überzeugt. Im Lauf der Handlung beginnt sie, sich wieder mehr mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen. Sie lässt Nähe zu, besonders als ihr Bruder Nino plötzlich vor der Tür steht und damit etwas anstößt.

Vera Buck hat ein besonderes Talent, Stimmung entstehen zu lassen. Die drückende Hitze, das verlassene Dorf und die sommerliche Stille legen sich wie ein Schleier über die Geschichte. Für mich hatte es etwas Mediatives, fast Schonendes, aber auch Bedrohliches. Die Tatsache, dass Tilda als moderne Frau völlig abgeschnitten von der Außenwelt lebt, ohne Internet und Telefon, verstärkt diesen Eindruck. Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich an so einem Ort selbst begegnet. Egal, ob man es will oder nicht. 

Eine weitere Figur in der Gegenwart ist Enzo, ein Journalist, der sozusagen die Verbindung zur Vergangenheit herstellt. Durch ihn lernt man das heutige Sardinien kennen und man fühlt sein Bedürfnis, das Schweigen zu brechen. Bei ihm hatte ich von Anfang an den Eindruck, dass er nicht nur für seinen Brotjob journalistisch arbeitet, sondern bei seinen Recherchen für sich selbst etwas aufarbeitet. Es wirkte als eine Art Therapie auf mich, wie ein Versuch, alte Wunden zu verarzten. Gefallen hat mir jedenfalls die suchende, etwas verzweifelte Energie, die er in die Geschichte gebracht hat. 

Zudem gibt es einen gelungenen Erzählstrang in der Vergangenheit, der mitten ins Zentrum des Dorfes führt. Hier lernen wir die Jugendlichen kennen, sehen liebgewonnene Sitten und Gebräuche, während sich die Schattenseiten offenbaren. 

Der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit ist meiner Meinung nach souverän erarbeitet. Ständig fragt man sich, warum das Dorf leer steht und was da einst geschehen ist. Dabei baut die vergangene Perspektive auf, sondern führt Schritt für Schritt an das große Ganze heran. Man merkt, dass alles auf eine zentrale Enthüllung zusteuert. Dieses langsame Annähern hat die Geschichte für mich intensiv gemacht.

Das Ende war für mich in Ordnung, auch wenn ein Zufall eine recht große Rolle spielt, was ich normalerweise weniger mag. Doch Vera Buck hat dies sehr elegant in die Gesamtstimmung eingebettet und es fühlte sich an, als ob sich das Schicksal durchgesetzt hätte. Für mich hat es zur Geschichte gepasst.

Meiner Meinung nach ist „Der dunkle Sommer“ ein gelungener und einnehmender Roman, der seine Stärke nicht aus Tempo und Drama schöpft, sondern aus Atmosphäre, Figurenzeichnung und Gespür für die Schatten der Vergangenheit zieht. Obwohl die Geschichte nicht gruselig ist, ist sie mit der Hitze und Einsamkeit Sardiniens verwoben, was man in jedem Kapitel fühlt.
_______________
MEINE BEWERTUNG

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2 Kommentare:

  1. Liebe Nicole,

    das klingt definitiv nach einem sehr starken Buch und es freut mich, dass dir diese Geschichte so gut gefallen hat! Ich hab es ja jetzt auch schon wieder eine Weile auf der Wunschliste, also eigentlich seit ich gesehen habe, dass es etwas neues von ihr gibt - und auch wenn ich Das Baumhaus noch nicht gelesen (das reizt mich irgendwie nicht, keine Ahnung warum) werde ich wohl das hier als nächstes von ihr lesen. Da bietet sich natürlich der Sommer an, aber ich befürchte, dass ich das nicht mehr schaffe. Da stehen grade einfach zu viele andere auf meiner Leseliste.
    Vielleicht hole ich mir diesen Sommer dann in den Wintermonaten nach Hause ;)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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  2. Liebe Nicole,
    eine ganz wunderbare Rezension! Du hast die Stimmung und Atmosphäre der Geschichte direkt darin verpackt! Ich mochte das Buch ja auch sehr und kann es ebenso weiterempfehlen!

    Liebe Grüße
    Martina

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