Mittwoch, 9. April 2025

Rezension: Happy End - Sarah Bestgen

Happy End - Sarah Bestgen
© Lübbe
Happy End
| Sarah Bestgen |

Verlag: Lübbe 2024
Seiten: 512
ISBN: 978-3757700713

MEINE BEWERTUNG 

 
- ★★★★★ - 



Raffinierte psychologische Spannung
 
Isas Martyrium beginnt, als ihr vier Monate altes Baby Ben spurlos verschwindet. Mehr als ein halbes Jahr später taucht er unerwartet wieder auf. Aber es scheint etwas nicht zu stimmen. Während die Polizei ermittelt, wächst in Isa ein nagendes Gefühl. Ist dieses Kind wirklich ihr Ben?

Psychothriller können mich nicht mehr so leicht überraschen. Nach jahrelanger Lektüre des Genres, habe ich viele Bücher gelesen, die einem bekannten Schema folgten und wenig neue Akzente setzen. Bei „Happy End“ von Sarah Bestgen habe ich zuerst gezögert. Die Thematik um ein verschwundenes Kind sprach mich wenig an. Dann häuften sich begeisterte Rezensionen und Leser:innen meines Vertrauens rieten dazu, dem Buch eine Chance zu geben. Zum Glück habe ich auf sie gehört, denn „Happy End“ entpuppte sich als echter Pageturner, der mich von vorne bis hinten in seinen Bann gezogen hat. 

Sarah Bestgens Psychothriller fängt mit einem alptraumhaften Szenario an. Der vier Monate alte Ben verschwindet spurlos aus dem eigenen Haus. Seine Mutter Isa steht daraufhin vor einem Abgrund aus Angst, Schuld und Ungewissheit. 

Als Ben nach einem halben Jahr plötzlich wieder auftaucht, ist seine Rückkehr ebenso rätselhaft wie sein Verschwinden. Was anfangs wie ein Wunder aussieht, lässt Isa immer stärkere Zweifel hegen. Ist dieses Kind wirklich ihr Ben?

Von der ersten Seite an entfaltet sich ein intensiver Sog, der mich unmittelbar in die Geschichte hineingezogen hat. Bestgens Erzählweise ist raffiniert, und sorgt dafür, dass der Thrill beständig steigt. Oberflächlich betrachtet entfaltet sich die Spannung eher gemächlich, aber zwischen den Zeilen brodelt es ordentlich. Es baut sich eine unterschwellige Bedrohung auf, die sich im Verlauf des Romans stetig steigert. 

Meiner Meinung nach machen die psychologische Tiefe und die exzellente Figurenzeichnung die Lebendigkeit der Story aus. Besonders Isa, die verzweifelte Mutter, wirkt auf mich als beeindruckend authentische Protagonistin. Ihre Gefühlswelt wird sensibel und nachvollziehbar dargestellt. Dabei ist mir meine wechselnde Wahrnehmung der Figur als äußerst interessant aufgefallen. Anfangs erscheint sie als starke Mutter, die alles unter Kontrolle hat. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr Risse offenbaren sich in diesem Bild. Es drängen sich Überforderung und Zweifel in den Vordergrund, was bei mir verschiedensten Empfindungen gegenüber Isa auslöste. Mal habe ich mit ihr gelitten, dann habe ich mich gefragt, ob in ihrem Oberstübchen alles seine Ordnung hat. Dadurch habe ich sie manchmal als unzuverlässige Erzählerin empfunden. Diese laufende Veränderung meiner Perspektive, machte für mich einen großen Reiz des Romans aus. 

Nach der Lektüre erfuhr ich, dass Autorin Sarah Bestgen selbst Psychologin ist. Im Nachhinein zeigt sich, dass sie ihr Fachwissen geschickt nutzt, um Aspekte wie Trauma, Angst und menschliche Sinneseindrücke in die Handlung einzuarbeiten. Sie spielt meiner Meinung nach ausgezeichnet mit der Frage nach der Zuverlässigkeit der Wahrnehmung. Dauernd habe ich mich gefragt, ob Hauptfigur Isa wirklich glaubwürdig ist oder sie sich die Zweifel nur einbildet. Daraufhin folgte für mich natürlich die Frage, was dahinter steckt.

Genau diese Unsicherheit treibt die Spannung voran und sorgt dafür, dass sich das Gesamtbild immer wieder verschiebt. Irreführende Fährten, subtile Hinweise und eine souverän konstruierte Dramaturgie machen „Happy End“ damit zu einem rundweg fesselnden Thriller. 

Im Rückblick ergeben sich für mich einige unlogische Details in der Handlung, aber aufgrund der packenden Stimmung sind mir diese während des Lesens nicht aufgefallen. Die Seiten fliegen nur so dahin und führen in ein Finale, das zwar etwas konstruiert wirkt, aber trotzdem Vergnügen macht. Für mich hat sich letztlich alles stimmig gefügt. Sehr gelungen empfand ich die melancholische Note, die am Schluss mitschwingt, die nach dem dramatischen Endspurt für ein rundes Ende sorgt. 

Meiner Meinung nach ist „Happy End“ ein herausragendes Psychodrama, das einen durch packende Atmosphäre und den Schattierungen menschlicher Wahrnehmungen tief zwischen die Seiten zieht. Ich denke, für Leser und Leserinnen, die raffinierte psychologische Spannung mögen, ist es best(g)ens geeignet. 

________________
MEINE BEWERTUNG
★★★★★

Mehr über dieses Drama auf Amazon* erfahren:

*Affiliate-Link = Für mich fallen ein paar Cents ab, wenn du hier kaufst
Mehr dazu in der Datenschutzerklärung.
 

8 Kommentare:

  1. Liebe Nicole,
    ich hatte ja bereits gesehen, dass du 5 Sterne vergeben hast und freue mich umso mehr, dass du "Happy End" genauso gut fandest, wie ich.

    Liebe Grüße
    Martina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Martina,

      es war wirklich sehr, sehr spannend ohne allzu dick aufzutragen. Klar, das Ende war dann schon eine Spur drüber, aber es hat total gepasst.

      Liebe Grüße
      Nicole

      Löschen
  2. Guten Morgen Nicole!

    Nachdem ich mir grade deine Rezi zu Die Villa durchgelesen hab freut es mich, dass ich hier direkt gleich einen Pageturner finde :D Die Villa klingt zwar irgendwie auch spannend durch die psychologischen Verwicklungen, aber obwohl mich hier auch das Thema des verschwundenen Babys nicht so anspricht, scheint hier der Spannungsfaktor sehr gut gelungen zu sein.
    Der Aspekt der Wahrnehmung ist ja immer fragwürdig :D Jeder nimmt alles anders wahr und vieles verbirgt man ja auch vor sich selbst, manchmal aus Selbstschutz und manchmal... aus anderen Gründen.

    Wenn unlogische Details auftauchen kommt es bei mir auch drauf an, ob sie mich in dem Moment stören, oder ob ich so gefesselt / begeistert bin dass ich einfach drüber hinwegschaue.

    Ich werd mir das Buch mal auf die Merkliste setzen :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Aleshanee,

      solche Bücher wie "Die Villa" sind für mich eher Zwischendurch-Lektüre. So etwas lese bzw. höre ich recht gern, aber es ist eher eine Lektüre, durch die ich mich berieseln und nicht packen lasse.

      Mich hat "Happy End" bei Erscheinen überhaupt nicht interessiert, weil die Ausgangslage mit dem Verschwunden Kind nicht meins war. Aber durch die begeisterten Rezension, vor allem jene von Martina, bin ich dann doch neugierig geworden. Es ist ein sehr packender Thriller.

      Genau! Wenn einen Logikfehler nicht aus der Geschichte schmeißen, dann stören sie auch nicht. Es ist genau dieses Quäntchen, das manchmal den Unterschied macht. Im Nachhinein kommen mir ein paar Begebenheiten äußerst unlogisch vor, aber während des Lesens hat es mich überhaupt nicht gestört. Das steht für mich für einen guten Thriller und einen tollen Erzählstil.

      Liebe Grüße
      Nicole

      Löschen
    2. Ich hab deine Rezension heute in meiner Stöberrunde dabei :)
      Ich wünsch dir schöne Osterfeiertage!

      Liebste Grüße, Aleshanee

      Löschen
  3. Hallo Nicole,
    mit deiner Rezension hast du mich jetzt aber richtig neugierig machen können. Ich finde ja schon die Ausgangssituation mit dem verloren gegangenen Baby und der Frage, ob das Baby dann wirklich das eigene ist, albtraumhaft.

    Mit deinen Worten, dass die Autorin selbst Psychologin ist und ihr Wissen für ihre Geschichte nutzt, hast du meine Neugierde weiter schüren können.

    Eigentlich sind Thriller nicht mein Genre. Aber das Buch hier könnte was für mich sein. Ich danke dir für diesen Einblick. Kommt auf die Wunschliste!

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Tanja,

      nein, das mit dem verschwundenen Kind hat mich anfangs überhaupt nicht angesprochen. :D Es waren dann doch die begeisterten Meinungen zu dem Buch, die mich neugierig gemacht haben. Zum Glück! Denn ich hätte gar nicht gedacht, dass es dann gar so arg spannend und fesselnd ist.

      Ja, die Autorin hat wirklich gut mit der Wahrnehmung gespielt. Vor allem hat sie mich als Leserin mit einigen Details immer wieder beeinflusst, sodass ich ständig einen wechselnden Eindruck von der Protagonistin hatte. Wirklich gut gemacht.

      Da bin ich ja gespannt, ob du es liest und wie es dir gefällt.

      Liebe Grüße
      Nicole

      Löschen

Mit Nutzung der Kommentarfunktion akzeptierst du die Speicherung deiner Daten. Mehr dazu in der Datenschutzerklärung