Donnerstag, 19. Mai 2022

Rezension: Amok - Stephen King / Richard Bachman

| Stephen King / Richard Bachman |

Verlag: Heyne 1993
Seiten: 219 
ISBN: 9783453073715

MEINE BEWERTUNG 
- ★★★
 - 



Wenn alles am schlimmsten ist

Eine Highschool in Maine: Charlie holt die Waffe aus seinem Spind, erschießt zwei Lehrer und nimmt die Mitschüler in Geiselhaft. 

Immer wieder greife ich zu den Büchern von Stephen King und bin jedes Mal überrascht, wie facettenreich seine Romane sind. „Amok“ ist unter dem Pseudonym Richard Bachmann erschienen und wird auf Wunsch des Autors nicht mehr verlegt, weil es mit echten Amokläufen in Verbindung steht. Umso gespannter war ich, was dieser Titel für mich bereit hält und wie brutal Charlies Amoklauf an einer Highschool in Maine enden wird.

King fackelt nicht lang. Bereits nach wenigen Seiten setzt er den Amoklauf von Charlie in Gang. In dem einen Moment wirkt der Junge relativ normal und im Alltagstrott, im nächsten stürmt er ein Klassenzimmer mit einer Waffe in der Hand.

„Wenn alles am schlimmsten ist, dann wirft der Verstand alles in einen Papierkorb und geht für eine Weile nach Florida.“ (S. 29)

Dabei ist die physische Gewalt nebensächlich und auf wenige Seiten reduziert. Charlie nimmt seine Mitschüler als Geisel und setzt damit eine Art Gruppentherapie in Gang. Nach dem der erste Schock überwunden ist, reflektieren die Jugendlichen Charlies Tat und ihren eigenen Alltag mit ihm. Daraus ergibt sich eine Plattform, für viele Themen, welche den jungen Seelen auf der Zunge brennen.

Meiner Meinung nach ist „Amok“ ein starkes Werk von King. Zu Beginn legt sich eine grauenhafte Anspannung über das Buch. Man begegnet Charlie und merkt, dass mit diesem Jungen etwas nicht in Ordnung ist. Aufgrund des Buchtitels wusste ich, in welche Richtung es geht, und erwartete den großen Knall. Als es so weit ist, wird er nüchtern und ohne feudales Gemetzel abgearbeitet. Die Beteiligten versinken in einem Schockzustand und Charlie weiß, dass er zum ersten Mal in seinem Leben die Richtung vorgibt.

Kings treibendes Thema in „Amok“ ist meiner Meinung nach Macht. Es geht um Macht, die andere über uns verüben, die in jeder Person steckt, und die zum Guten genauso wie zum Schlechten das Leben und den Alltag prägt. Hierzu reflektiert er etliche Beziehungskonstellationen und veranschaulicht, dass Macht und Ohnmacht eng miteinander verbunden sind. Es handelt von Erziehung, Sex, Alkohol, Drogen und wie Jugendliche gegen die Macht der älteren Generation aufbegehren. Gleichzeitig zeigt King, dass selbst Erwachsene nicht allmächtig sind, weil sie untereinander in Beziehung und damit in unterschiedlichen Machtpositionen stehen.

Ein Amoklauf wirft sämtliche bisherigen Machtverhältnisse über Bord. Sie liegt voll und ganz bei der einen Person mit der Waffe in der Hand. Die Karten sind neu gemischt und der Autor veranschaulicht, was zu so einer Ausnahmesituation führen kann.

Das Buch ist sehr genial und ausdrucksstark erzählt. Ich bin sofort in Kings Ausführungen abgetaucht und bewundere, wie er ernste Gesellschaftsthemen spielerisch in einen fesselnden Roman verpackt.

Nur am Ende blieb ich ratlos zurück. Es geschieht etwas, was sich zwar abzeichnet, aber nur zu Fragezeichen führt. Entweder kam die Entwicklung zu abrupt oder mir fehlt es am Verständnis dafür. Jedenfalls ist es ein Punkt, der mich wie eine Wimper im Auge stört, was weder durch Reiben, Nachdenken oder dem Austausch mit anderen besser wird. 

Meiner Meinung nach hat Stephen King mit „Amok“ einen packenden, ernsten Roman geschrieben. Ich war gefesselt, fasziniert und gespannt, was als Nächstes passiert. Schade, dass das Buch nur mehr gebraucht erhältlich ist, obwohl ich die Beweggründe dahinter nachvollziehen kann.

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MEINE BEWERTUNG
★★★★

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14 Kommentare:

  1. Schönen guten Morgen!

    Eine ganz tolle Rezension mit der du perfekt das Buch beschrieben hast! Mir hat die Leserunde großen Spaß gemacht! :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo Aleshanee,

      mir hat es mit euch auch sehr großen Spaß gemacht! Auf ein paar Dinge wäre ich allein gar nicht gekommen, wie z.B. das Monster in der Nacht.
      Und das Buch fand ich sehr fesselnd. Nun habe ich noch mehr Lust auf weitere King-Bücher. :D

      Liebe Grüße
      Nicole

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    2. Guten Morgen! Ich hab deine Rezension heute gerne in meiner Stöberrunde verlinkt!

      Meine kommt dann am Montag :)

      Liebste Grüße, Aleshanee

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    3. Vielen Dank, Aleshanee! Das freut mich. :)

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  2. Huhu Nicole,

    Eine sehr schöne und treffende Rezension, die das Leseerlebnis auf jeden Fall sehr gut wieserspiegelt.

    Ich finde es nach wie vor echt interessant, dass ihr drei bei dem Ende ähnlich empfunden hat und die eine Sache euch nicht als passend oder verständlich erschien. Je länger ich irgendwie über das Buch nachdenken, umso mehr kann ich diesen Schlüsselmoment verstehen. Es ist krass, wie sehr dieses Buch nachhaltig. Ich denke aktuell wirklich noch jeden Tag über die Geschichte nach.

    Liebe Grüße
    Jessi

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    1. Hallo Jessi,

      danke dir, Jessi! :)

      Ich denke nach wie vor über das Ende nach und ob ich in der Geschichte etwas übersehen habe. :D Es erinnert mich sogar vom Gefühl her an "Herr der Fliegen" - das hat mich damals ebenfalls mit dieser Unzufriedenheit zurück gelassen.

      Es war jedenfalls toll, dass wir es gemeinsam gelesen haben!

      Liebe Grüße
      Nicole

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  3. Hallo Nicole,
    mir hatte das Buch leider nicht so richtig gefallen. Zu schnell akzeptieren Charlies Mitschüler für mich die Situation und passen sich an. Ich konnte die Beweggründe von King nachvollziehen, aber so richtig fesseln konnte das Buch mich nicht.
    Aber toll deine schöne und ausführliche Rezension zu lesen. :)
    Liebe Grüße
    Diana von lese-welle.de

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    1. Hallo Diana,

      mich hat es sehr gefesselt und das fand ich in der Situation einleuchtend. Aber das Ende, damit tue ich mir schwer. Ansonsten war ich sehr begeistert davon!

      Liebe Grüße
      Nicole

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  4. Hallo Nicole,
    danke für das Vorstellen. Ich glaub, irgendwo habe ich das Buch auch. Oder habe ich es mal gesehen. Jednefalls stelle ich das mal auf meine WuLi
    Grüße
    anja

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    1. Hallo Anja,

      schön, dass ich deiner Wunsch- oder Leseliste was Gutes tun konnte. :) Ich halte dir mal die Daumen, dass du es irgendwo daheim hast. Es wird ja nicht mehr verlegt und ist daher gar nicht so leicht zu bekommen.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  5. Ach ja, diese miese Wimper... da sind wir einer Meinung.
    Und das es nicht mehr auf dem Markt zu erwerben ist, in Neuauflage, schon schade.
    Man versteht es auf einer Art, ABER ich finde es gibt viele andere Bücher, die deutlich schlimmer sind (z.B. Evil). Festa lasse ich mal außen vor, weil es im Privatdruck veröffentlicht wird, zumindest die Extrembände.

    Liebe Grüße und weiterhin viel Spaß im Kingfieber,
    Andrea

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    1. Hallo Andrea,

      ja, die kratzt am Leseerlebnis.

      Es gibt etliche Bücher, die schlimmer und brutaler sind. Und stimmt, "Evil" zählt sicherlich dazu. Aber wenn das Buch mit echten Amokläufen in Verbindung stand, verstehe ich Kings Entscheidung schon. Er wollte sicherlich auch nicht immer in Zusammenhang damit genannt werden.

      Übrigens, mir hat's mal wieder Gänsehaut aufgestellt, weil ausgerechnet jetzt in den USA wieder ein Amoklauf war.

      Oh ja, ich freue mich schon auf das nächste Buch von ihm. :)

      Liebe Grüße und schönes Wochenende
      Nicole

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  6. Liebe Nicole

    Das klingt gut und krass und ich bin jetzt sehr neugierig auf die Stelle, welche für dich nicht gepasst hat. Ich weiss nicht, ob ich das Buch lesen werde, da ich das Setting sicher auch als ziemlich heftig empfinden würde, aber gleichzeitig hast du mich auch sehr neugierig gemacht.

    Ganz liebe Grüsse an dich
    Livia

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    1. Hallo Livia,

      es ist aber nicht so schlimm zu lesen wie man vielleicht von der Beschreibung und dem Thema her glaubt. Also, ich denke, dass man es gut verkraften kann. Ich wäre ja neugierig, was du zu der Stelle sagst. :D

      Liebe Grüße
      Nicole

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