Dienstag, 21. Januar 2025

Rezension: Schneegrab - Michelle Paver

Schneegrab - Michelle Paver
© Piper
Schneegrab
| Michelle Paver |

Verlag: Piper 2022
Seiten: 304
ISBN: 978-3492063456

MEINE BEWERTUNG 
- ★★★
 - 
 


In der unheimlichen Stille des Kangchenjunga

1935 im Himalaya-Gebirge sind fünf Engländern auf den zum heiligen Gipfel des Kangchenjunga. Jeder Höhenmeter verlangt unermessliche Kraft und ihnen wird bewusst, dass nicht nur der Berg eine Bedrohung ist. 

Thriller, die in kalten Gegenden angesiedelt sind, und dabei sogar noch auf das Dach der Welt führen, lese ich unheimlich gerne. Daher kam ich um dieses Buch nicht herum und musste unbedingt den Weg zum „Schneegrab“ am Kangchenjunga wagen. 

Es handelt sich um einen mysteriösen Thriller mit Schauerallüren und entführt die Leserinnen und Leser in die lebensbedrohliche Kulisse des Himalayas der 1930er-Jahre. Mit dem dritthöchsten Berg der Welt, dem Kangchenjunga, als Schauplatz, entfaltet sich eine Geschichte über die Herausforderungen des Bergsteigens. Zudem geht es um einen tiefen Graben zwischen Brüdern und die Schatten der Vergangenheit. 

Hierzu verwebt die Autorin historische Elemente mit mystischen Andeutungen und erschafft auf diese Weise einen Roman, der gleichermaßen packend wie beklemmend ist. Durch die Augen des Arztes Stephen Pearce, der die Expedition begleitet, geht man beim Lesen auf eine Reise, die weit über die physische Besteigung des Berges hinausgeht und in die seelischen Abgründe der Figuren führt.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die ungleichen Brüder Stephen und Kits Pearce, deren Beziehung von Konkurrenz, gegenseitigem Misstrauen und einer unterschwelligen Verbundenheit geprägt ist. Stephen, der Arzt der Expedition, ist ein zurückhaltender und nachdenklicher Charakter, der häufig im Schatten seines ehrgeizigen Bruders steht. Kits hingegen verkörpert den klassischen Draufgänger, der den Gipfel um jeden Preis bezwingen will. Ihre Beziehung wird von Michelle Paver mit einer interessanten Tiefe versehen, die sowohl die Reibereien genau wie die stillen Momente zwischen den Brüdern einfängt.

Hinzu kommen unzugängliche Sherpas, die enormen Respekt vor dem Berg haben, und auch die übrigen Expeditionsteilnehmer heizen mit ihren Ängsten und Ambitionen der Gruppendynamik ein. Von Anfang an wird die Expedition auf eine harte Probe gestellt.  Michelle Paver zeigt, wie Isolation, extreme Bedingungen und unausgesprochene Geheimnisse der Figuren, die Männer über ihre körperlichen und geistigen Grenzen treibt. 

Erzählt wird die Geschichte aus Stephens Perspektive, der begleitend zur Expedition ein Tagebuch führt. Dadurch erhält man beim Lesen einen guten Einblick in seine Gedanken und die seelische sowie körperliche Verfassung. Man merkt schnell, wie ihn die Angst antreibt. 

Während sich die Teilnehmer in Richtung Gipfel schleppen, führt die Autorin die Handlung Schritt für Schritt auf einen bedrückenden Höhepunkt zu. Dabei beginnen Roman und Entdeckungsreise ruhig. Zuerst werden die Charaktere vorgestellt und man erfährt, mit welchen speziellen Herausforderungen die Expedition zu kämpfen haben wird. Je höher die Gruppe steigt, desto intensiver empfand ich die Spannung. 

Hierzu verliert sich Paver nicht in actiongeladenen Beschreibungen, sondern bleibt bei der subtilen Bedrohung der Situation und der spürbaren Beklemmung, welche der Berg ausstrahlt. Die extremen Bedingungen und die wachsenden Konflikte unter den Bergsteigern werden mit unheimlichen Begebenheiten ergänzt. Rätselhafte Geräusche werden vernommen, unerklärliche Spuren im Schnee gefunden und es herrscht das Gefühl, beobachtet zu werden. 

Im Weiteren werden Ereignisse aus der Vergangenheit mit der aktuellen Expedition verknüpft. Denn ein Tagebuch aus einer früheren Besteigung führt zu Zweifeln am jetzigen Unternehmen. Beim Lesen fragt man sich schon, ob Kits und Stephen wirklich wissen, was sie tun. 

Außerdem ergibt sich eine mystische Bedrohung, die den Spannungsbogen bis zum Ende aufrecht hält. Gefallen hat mir, dass Michelle Paver genügend Raum für Interpretationen gibt und damit die Grenze zwischen Realität und Mystik verwischt. 

Die eisige Kälte, die beengten Zelte und die unheimliche Stille des Schnees werden mit einer Intensität dargestellt, die den:die Leser:in direkt in die Szenerie hineinzieht. Gleichzeitig sorgt der reduzierte, fast nüchterne Ton dafür, dass die mystischen Elemente glaubhaft und nie übertrieben wirken. Die Balance zwischen psychologischer Tiefe, subtilem Horror und der Extremsituation am Berg habe ich als große Stärke des Romans empfunden.

Für mich ist „Schneegrab“ ein dicht erzählter Roman, der in die stille sowie gefährliche Welt des Himalayas entführt und in die Abgründe menschlicher Ängste und Beziehungen blickt. Es ist eine fesselnde Mischung aus historischem Abenteuer, packendem Drama und subtilen Gruselelementen, mit der man in die eisige Welt des Kangchenjunga gelangt.
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MEINE BEWERTUNG
★★★★

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1 Kommentar:

  1. Ich habe dieses Buch vor 2 Jahren im Winter gelesen und fand es auch sehr gut. Es hat mich oft an Dan Simmons "Der Berg" erinnert, nur nicht so ausschweifend, aber mit der gleichen dichten, kalten Atmosphäre. Kann mich sogar noch an die Details erinnern, wenn ich deine Rezi lese und das ist ein super Zeichen für mich! :)

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