Sonntag, 24. November 2024

Rezension: Die Speed Queen - Stewart O'Nan

Die Speed Queen - Stewart O'Nan
© Rowohlt
Die Speed Queen
| Stewart O'Nan |

Verlag: Rowohlt 1999
Seiten: 256
ISBN: 978-3499226403

MEINE BEWERTUNG 
- ★★★
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Stimme aus der Todeszelle

Einige Stunden von ihrer Hinrichtung spricht Margie Standiford ihre Lebensgeschichte direkt aus der Todeszelle in Oklahoma auf Band. Sie richtet sich an ihren Ghostwriter Stephen King, der nach ihrem letzten Gang ihre Sicht des Geschehens zu einem Roman verarbeiten wird.

„Die Speed Queen“ von Stewart O'Nan erzählt die düstere Geschichte von Margie Standiford. Sie ist eine Frau, die in der Todeszelle eines Gefängnisses in Oklahoma sitzt und ihre Lebensgeschichte kurz vor ihrer Hinrichtung auf Band spricht. Im Zentrum steht Margies Verwandlung von einer drogenabhängigen Frau zu einer Kriminellen, die in den Strudel von Raub, Mord und Gewalt gerät. Ihr "Ghostwriter" ist – in einer eher unauffälligen Rolle – Stephen King, von dem sie sich Ruhm, Ehre und einen ordentlichen Batzen Geld für ihren Sohn erhofft.

Obwohl der Klappentext Stephen King als zentralen Bestandteil der Geschichte nennt, wird er nur am Rande erwähnt. Seine Rolle bleibt für den Leser eher symbolisch. Ich fand die Anspielungen auf seine Werke charmant, aber auch ein wenig gruselig, fast als würde O'Nan King in gewisser Weise "stalken". Wer ein Fan von King ist, wird diese Hommage sicherlich zu schätzen wissen.

Margie ist keine einfache Erzählerin. Sie sitzt in der Todeszelle und hat wenig Zeit, ihre Geschichte zu erzählen. Ihre Erzählweise ist faszinierend und zugleich beunruhigend. Sie ist kalt, oft distanziert und voller versteckter Emotionen. Ihre Erinnerungen zeichnen ein Bild einer Frau, die sich im Laufe ihres Lebens immer weiter von ihren eigenen Gefühlen entfernt hat.

Was Margie besonders interessant macht, ist ihre Unzuverlässigkeit als Erzählerin. Sie lügt, verschweigt und verdreht die Wahrheit. Man wird beim Lesen oftmals mit der Frage konfrontiert, wie viel von dem, was sie erzählt, wirklich der Wahrheit entspricht. Ihre Beziehung zu ihrem Mann Lamont und ihrer Freundin Natalie ist von Lügen und Gewalt geprägt, dabei sind auch die Erzählungen über die beiden schwer zu fassen. Besonders die Szene, in der sie über den Mord an einer Frau spricht, bei dem sie zuerst behauptet, nur der Zeuge gewesen zu sein, und später zugibt, selbst Hand angelegt zu haben, zeigt die Zerrissenheit ihrer eigenen Wahrnehmung.

Die Dynamik zwischen Margie, Lamont und Natalie ist spannend und erschreckend. Es ist nicht immer einfach, die moralischen Abgründe dieser Figuren zu durchschauen. Marjorie wirkt in vielerlei Hinsicht wie die "Gute", aber am Ende muss man sich eingestehen, dass sie nicht viel besser als die anderen ist. Ihre Handlungen, die sie als "Überlebenskünstlerin" darstellen, sind vielmehr das Produkt ihrer verzweifelten und drogengetriebenen Existenz.

Die Vorahnung, dass Marjorie oder Lamont irgendwann ins Gefängnis müssen, ist spätestens ab der Mitte des Buches klar. Der schleichende, unvermeidliche Niedergang wird mit jeder Seite deutlicher. Zentral ist die Frage, wie Menschen in eine solche Situation geraten können, und wie wenig wir über die wahren Beweggründe hinter den Handlungen anderer wissen.

Das Finale empfand ich meisterlich erzählt. Es ist spannend, unerwartet und mit einem düsteren sowie erschreckenden Schluss. Die letzten Seiten des Buches zogen mich tief in die Geschichte hinein und lassen einen nach dem Ende mit einem mulmigen Gefühl zurück.

O'Nan versteht es ausgezeichnet, die Spannung zu steigern, obwohl sich die Ereignisse zumeist in Margies Gedanken entfalten. Der Gefängnistrakt, in dem sie ihre letzten Stunden verbringt, wird von O'Nan als ein Ort der Routine und gleichzeitig des unerbittlichen Wartens beschrieben. Die Tatsache, dass Margie ihre Geschichte aus der Todeszelle heraus erzählt, lässt einen tief in ihre Psyche eintauchen und schafft eine schauderhafte, beklemmende Atmosphäre.

„Die Speed Queen“ ist ein packendes, bitteres und zum Ende hin zutiefst fesselndes Buch, das beim Lesen mit der düsteren Realität von Kriminalität und Drogenabhängigkeit konfrontiert. Stewart O'Nan hat hier einen spannenden, psychologisch intensiven Thriller geschaffen, der durch Margies Sicht an Intensität gewinnt. Es ist ein beunruhigend erzähltes Drama über Leben, Lügen und das Unvermeidliche.

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MEINE BEWERTUNG
★★★★

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