Mittwoch, 20. November 2024

Rezension: Rauch - Yrsa Sigurdardóttir

Rauch - Yrsa Sigurdardóttir
© btb
Rauch
| Yrsa Sigurdardóttir |

Verlag: btb 2024
Seiten: 400
ISBN: 978-3442762439

MEINE BEWERTUNG 

 


Atmosphärisch rauchiger Island-Thriller

Fünf Studienfreunde reisen aus traurigem Grund gemeinsam auf die Westmännerinseln vor der Südküste Islands. Eine gemeinsame Freundin ist gestorben und sie nehmen an der Beerdigung teil. Als wäre die Stimmung nicht betrübt genug, finden sie im Haus der Freundin etwas Grausiges. Und damit kommen die Erinnerungen an die Studentenparty von damals auf ... 

"Rauch" ist der neueste Island-Thriller von Yrsa Sigurdardóttir, der zur Reihe um Týr und Iðunn zählt, aber meiner Meinung nach unabhängig von dem Vorgängerband "Nacht" gelesen werden kann. 

Besonders liebe ich an der Autorin, dass sie düstere, atmosphärische und überaus spannende Bücher schreibt, die eher unter die Haut gehen als den Herzschlag durch Action in die Höhe treiben. 

Trausti, Ari, Leifur, Sigga und Ragga nehmen an der Beerdigung von Gugga teil. Allesamt waren sie zu Studienzeiten recht gut befreundet. Danach ist jeder seinen Weg gegangen und die Bande haben sich gelöst. Die einstige Vertrautheit mag sich nicht einstellen, obwohl fast jeder in die damalige Rolle verfällt. 

Als sie von Gugga Abschied nehmen, werden sie in die dunkle Tiefe ihrer gemeinsamen Vergangenheit gezogen. Sie machen eine grausame Entdeckung in Guggas Keller, die weit darüber hinausgeht, was sie befürchteten. Es kommt zu einem verstörenden Wendepunkt, der auf erschreckende Weise die Freundschaft der fünf Studienkollegen verkompliziert und in eine bizarre Richtung führt.

Die Handlung hat mir extrem gut gefallen, obwohl ich mittendrin schon Bedenken hatte, wie manche Ereignisse logisch und plausibel aufgeklärt werden sollen. Sigurdardóttir kommt auf erschreckende, brutale und bizarre Ideen, die ich genial finde. 

Obwohl die fünf Freunde und ihre Vergangenheit im Mittelpunkt stehen, gibt ein weiterer Erzählstrang den Blick auf die Ermittlungen frei. Hier kommt der Reihen-Charakter zum Vorschein, weil man auf alte Bekannte vom ersten Band "Nacht" trifft, die wieder zum Dienst gerufen werden. 

Gerichtsmedizinerin Iðunn reist aufgrund eines Todesfalls auf die Westmännerinsel, worüber sie alles andere als erfreut ist. Es handelt sich vermutlich um den abgeschiedensten Teil des Landes und das Wetter besteht darauf, dass es ein längerer Aufenthalt werden wird. 

Iðunn verleiht dem Geschehen eine weitere emotionale Ebene, weil sie selbst mit der Gegend und der Landschaft verstrickt ist. Außerdem streut die Autorin durch diesen Charakter nicht nur den Weg der Ermittlungen sondern auch eine Prise Gesellschaftskritik ein. Insgesamt handelt es sich bei der Forensikerin um eine äußerst facettenreiche Figur, deren Vielschichtigkeit sich nach und nach zeigt. 

Spannung ist von der ersten Seite an gegeben. Obwohl das Erzähltempo ruhig gehalten ist, hat mich die Autorin mit latenter, subtiler Grobheit ins Staunen versetzt, sodass ich mich kaum von der Handlung lösen konnte. 

Ich mag es, dass Yrsa Sigurdardóttir wirklich böse schreibt. Zwar lockert sie dieses Böse durch sanfte Gutmütigkeit auf mancher Beziehungsebene auf, doch die Details ihrer Handlung bleiben heftig, rau und brutal, genau wie ich mir die regionalen Wetterbedingungen vorstelle.

Die kalte, isländische Landschaft dient als perfekter Hintergrund für die Geschichte und trägt wesentlich zur düsteren, teilweise beklemmenden, Stimmung des Romans bei. Ich denke, dass die Handlung aufgrund der ungemütlichen Wetter-Bedingungen nochmals intensiver wirkt. 

Vielleicht ist manchen Leserinnen und Lesern das Tempo zu langsam, der Erzählstil zu ruhig und die Ausgangslage zu verdreht. Für mich war "Rauch" von Anfang bis Ende fesselnd und intensiv, sodass mich der Thriller mit dem gewissen Yrsa-Hauch durchgehend begeistert hat. 

"Rauch" ist ein atmosphärisch dichter Roman, der aufgrund der Abgeschiedenheit und des düsteren Wetters stets eine subtile Bedrohung ahnen lässt. Die Intensität und die bizarren Ereignisse sowie grausamen Entdeckungen münden für mich in ein Island-Thriller-Erlebnis, wie ich es bestens empfehlen kann.

________________
MEINE BEWERTUNG
★★★★
Die Reihe um Týr & Iðunn:
2) Rauch 
 
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4 Kommentare:

  1. Hi Nicole!

    Und schon wieder hast du ein neues Buch der Autorin gelesen ... und ich bin immer noch nicht weiter gekommen :) Dir scheint diese ruhige, kalte und brutale Atmosphäre in den Schauplätzen ja sehr zu gefallen! Ein langsames Tempo stört mich ja nicht so sehr, wenn es anderes gibt das mich bei Laune hält: wie eben der Schreibstil, die Atmosphäre oder auch die Interaktionen der Protagonisten.

    Ich seh auf jeden Fall, dass ich unbedingt wieder was von der Autorin lesen muss. Es ist wirklich schon viel zu lange her... ich kenne auch bisher, glaub ich, erst zwei Bücher von ihr.

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo Aleshanee,

      ich mag ihre Bücher soooo gern. Jetzt bin ich wieder auf aktuellem Stand. Nur die Reihe um Rechtsanwältin Dóra Gudmundsdóttir muss ich nicht so haben. Die ist zwar auch gut, aber mir ist das zu sehr "normaler" Krimi.

      Ich hoffe ja, dass nächstes Jahr wieder ein Buch von ihr erscheint.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  2. Huhu Nicole,
    eine richtig tolle Rezension hast du da geschrieben. :)
    Ich mag den bösen Stil von der Autorin ja auch sehr gerne und bin immer wieder erstaunt, dass sie mich trotz meiner momentan Thriller-Müdigkeit total fesseln kann.
    Mich hat ja nur ein klein wenig gestört, dass ich die Freundschaft der 6 Protagonist*innen irgendwie falsch fand. Es kam mir nicht so vor, als würden sie sich so richtig mögen. Aber das ist wirklich eher jammern auf richtig hohem Niveau. :D
    Liebe Grüße
    Diana von lese-welle.de

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    1. Guten Morgen Diana,

      danke schön. :)

      Ja, diese falsche Freundschaft, die fand ich auch etwas irritierend, aber gar nicht unrealistisch. Sie waren bzw. sind durch den Lebensabschnitt des Studiums verbunden. Da spielt oft Sympathie eine untergeordnete Rolle. Ich glaube, dass sich genau deshalb solche Freundschaften im späteren Leben auch eher verlaufen.

      Diese Keller-Geschichte fand ich schon extrem und genial. Da hatte sie sich was Grausiges überlegt.

      Liebe Grüße
      Nicole

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