Dienstag, 26. November 2024

Rezension: Die Tochter des Doktor Moreau - Silvia Moreno-Garcia

Die Tochter des Doktor Moreau - Silvia Moreno-Garcia
© Limes
Die Tochter des Doktor Moreau
| Silvia Moreno-Garcia |

Verlag: Limes 2023
Seiten: 448 
ISBN: 978-3809027621

MEINE BEWERTUNG 
- ★★★
 - 



Äußerst spannungsarm umgesetzt

Carlota Moreau lebt mit ihrem Vater in der Abgeschiedenheit des mexikanischen Dschungels. Als Tochter aus gutem Hause wird der jungen Frau der Hof gemacht. Es scheint, dass sie bald das Anwesen verlässt und die feine Gesellschaft für sich entdeckt. Doch dann stößt sie auf Geheimnisse, die sogar sie selbst betreffen.

"Die Tochter des Doktor Moreau" entführt uns in den mexikanischen Dschungel des späten 19. Jahrhunderts, in eine abgeschiedene Welt, die gleichzeitig paradiesisch und bedrohlich wirkt. Silvia Moreno-Garcia gelingt es, die tropische Umgebung so lebendig zu schildern, dass man fast die Hitze und das Summen der Insekten spüren kann. Das Anwesen, auf dem Carlota lebt, wirkt dabei wie eine andere Welt. Es ist eine Art verstecktes Refugium, das Schutz und Geheimnisse in sich vereint.

Die titelgebende Tochter des Doktor Moreau, Carlota Moreau, ist eine faszinierende, wenn auch widersprüchliche Protagonistin. Ihre Entwicklung und ihre Persönlichkeit sind schwer zu fassen. Sie pendelt zwischen kindlicher Naivität und überraschender Selbstbestimmtheit hin- und her. Aufgewachsen in der abgeschiedenen Umgebung des Anwesens ihres Vaters, hatte sie nie die Gelegenheit, ihre Emotionen offen zu zeigen oder ihre eigene Persönlichkeit wirklich zu formen. Stattdessen wird sie dazu erzogen, stets gehorsam zu sein, was zu einer beinahe unterdrückten, oft trotzig wirkenden Art führt. Diese Unsicherheiten und ihre kindliche Reaktion auf Konflikte wirken manchmal etwas frustrierend, gleichzeitig bleibt sie aber immer ein Mysterium – eine Unbekannte, die sich selbst erst entdeckt.

Montgomery, der Aufseher des Anwesens, ist eine interessante, etwas verschlagene Figur, die Carlotas Welt und die des Doktors auf einzigartige Weise ergänzt. Er ist vielschichtig und ambivalent in seiner Haltung zur Familie Moreau und zu den Experimenten des Doktors. Als ein Mensch mit eigener gebrochener Vergangenheit, bringt er eine zynische, aber auch fürsorgliche Seite in das Geschehen ein. Die Beziehung zwischen ihm und Carlota ist eine Mischung aus Distanz und Nähe. Es fühlt sich an wie bei Menschen, die durch ihre Isolation gezwungen sind, einander zu respektieren und aufeinander aufzupassen.

Eduardo Lizalde hingegen bringt eine ganz neue Dynamik in das Leben auf dem Anwesen. Sein Auftreten scheint Carlota in die „feine Gesellschaft“ zu ziehen und konfrontiert sie mit einer Welt, die sie kaum kennt. Eduardo erscheint charmant und ehrgeizig. Aber seine Anwesenheit führt schnell zu einer Kettenreaktion von Konflikten und Gefühlen, die die bisherige Harmonie der Figuren gefährdet und zudem dunkle Geheimnisse offenbart.

Obwohl das Setting abgeschieden ist, vermittelt die Geschichte anfangs eine unterschwellige Spannung, die in den experimentellen Machenschaften des Doktors und in den Geheimnissen um das Anwesen liegt. Dadurch erhält die Handlung eine subtile und lang anhaltende Dramatik, als würde man auf eine nahende Bedrohung warten, die sich ab ca. der Hälfte des Romans quälend langsam entfaltet.

Moreno-Garcia schafft es ausgezeichnet, eine dichte und bannende Atmosphäre zu erzeugen, wodurch man tief in das tropische Mexiko eindringt. Die Vermischung von klassischer Science Fiction und historischen Elementen der mexikanischen Geschichte verleiht der Erzählung zusätzliche Tiefe und lässt das Setting glaubwürdig und lebendig erscheinen. Die Figuren wirken vielschichtig. Durch die ruhigeren, alltäglichen Momente des Anwesens wird eine schleichende Dramatik aufgebaut, die zu Beginn fesselt.

Allerdings bleibt die Handlung oft in dieser Ruhe gefangen und entwickelt nur langsam eine Dynamik, die den Leser wirklich vorantreibt. Die Spannungskurve baut sich kaum auf und das gemächliche Erzähltempo zieht sich über große Teile der Geschichte hinweg. Gerade weil der Flair allein nicht immer genügt, um das Interesse durchweg aufrechtzuerhalten, habe ich die Lektüre als zäh empfunden. Ab einem gewissen Punkt vermag auch die dichte Stimmung das fehlende Tempo nicht mehr auszugleichen, sodass die Geschichte ordentlich ins Stocken gerät.

"Die Tochter des Doktor Moreau" ist ein Roman, der mit dem exotischen Setting und einem interessanten Grundkonzept punktet. Silvia Moreno-Garcia hat eine besondere Gabe dafür, komplexe Figuren und tiefgründige historische Hintergründe zu gestalten. Dennoch leidet die Erzählung erheblich unter der mangelnden Spannungskurve. Mittlerweile ist dies ein Muster, das ich in mehreren Büchern der Autorin festgestellt habe: Die Geschichten sind von der Stimmung her stark und stilistisch ausgezeichnet. Sie schaffen es aber nicht, die Spannung zu halten. Die Handlung ist oft zu langsam und ohne merkliche Höhepunkte, was die Lektüre auf Dauer zäh und mühsam macht.

Für Leser:innen, die ein bedächtiges Erzähltempo schätzen und bereit sind, sich vor allem auf die Figuren und das historische Setting einzulassen, ist das Buch sicher eine interessante Wahl. Wer auf mitreißende Spannung hofft, könnte enttäuscht werden.
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MEINE BEWERTUNG
★★★

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2 Kommentare:

  1. Huhu liebe Nicole,
    das Cover ist echt ein Eyecatcher, aber nach deiner Rezi lasse ich lieber die Finger von dem Buch. "Bedächtiges Erzähltempo" und "mangelnde Spannungskurve" sind definitiv nicht mein Ding.
    LieGrü
    Elena

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    1. Hallo Elena,

      das Cover ist wirklich schön bunt und verbreitet sofort Mexiko-Stimmung. Leider klappt das mit der Spannung nicht. Dabei bin ich eine sehr geduldige Leserin, wenn die Stimmung passt. Aber die Autorin schafft es leider nicht, mich richtig zu packen und zu überzeugen.

      Liebe Grüße
      Nicole

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