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© Heyne |
| Michaela Kastel |
Verlag: Heyne 2024
Seiten: 368
ISBN: 978-3453428720
MEINE BEWERTUNG
- ★★★★★ -
ISBN: 978-3453428720
MEINE BEWERTUNG
- ★★★★★ -
Thriller auf Abwegen
Felizitas flieht mit ihrer kleinen Tochter aus ihrem gewalttätigen Zuhause und sucht Schutz im abgelegenen Haus ihrer Mutter im tiefen Wald. Dort, am See, wo einst Kinder starben, drohen die Schatten der Vergangenheit sie einzuholen. Bald muss sie erkennen, dass die Gefahr nicht nur von außen kommen könnte.
„Verirrt“ wollte ich unbedingt lesen, weil Michaela Kastel ein Händchen dafür hat, Figuren in ihren dunkelsten Ecken zu zeigen und eine dichte Atmosphäre zu schaffen. Leider konnte sie mich diesmal nur teilweise fesseln.
Die Flucht in der Nacht, begleitet von der kleinen Tochter, vermittelt Felizitas’ ständige Angst sehr eindringlich. Ihr Mann ist Polizist, sodass sie sich nicht einfach an das Gesetz wenden kann. Die Reise führt sie zu ihrer Mutter in das Haus ihrer Kindheit am See. Zu der Frau, mit der sie vor Jahren gebrochen hat. Die Kulisse ist wahrlich stimmungsvoll. Wald, Nebel, Schnee und die Stille des Sees passen perfekt zu Felizitas’ innerer Anspannung. Die Umgebung vermittelt Einsamkeit, Bedrohung und eine dunkle Ahnung, die das Lesen angenehm begleitet.
Schon bei der Ankunft kommen Felizitas’ Kindheitserinnerungen hoch. Sie denkt an Monster in Höhlen und Geschichten von Kinderleichen. Erinnerungen, die zwischen Einbildung und Realität schwanken. Dabei spürt man ihre Unsicherheit, ihre Angst und die Zerbrechlichkeit ihres Vorhabens, ein neues Leben zu anzufangen. Stellenweise wirkte sie auf mich ein wenig naiv. Sie flieht ohne Geld und ohne konkreten Plan, versucht aber dennoch, Sicherheit zu finden. Man kann nachvollziehen, dass sie erst einmal Abstand sucht und ihre nächsten Schritte überdenken will, trotzdem zieht sich die Handlung dadurch manchmal.
Felizitas’ Mutter ist für mich eines der Highlights des Buches. Ihre eigenwillige Art, ihr Leben mit Kräutern und Kunst zu gestalten, macht sie interessant und lebendig. Schon früh wird klar, dass sie nicht gewöhnlich ist. Sie zeigt Eigenheiten und hat eindeutig Geheimnisse.
Auffällig ist das Mutter-Tochter-Verhältnis, das hier gleich doppelt angelegt ist. Zum einen die Beziehung zwischen Felizitas und ihrer Mutter, zum anderen Felizitas’ Rolle als Mutter ihrer Tochter. Die Vergangenheit zwischen Felizitas und ihrer Mutter ist brüchig und von alten Konflikten durchzogen. Felizitas zeigt Trotz, Skepsis und vorsichtige Annäherung zugleich. Die Begegnungen mit ihrer eigenen Tochter hingegen haben auf mich funktional gewirkt. Ich habe die Kleine weniger als eigenständige Figur wahrgenommen, sondern mehr als Motiv für Felizitas Handeln. Dadurch war diese doppelte Mutter-Tochter-Thematik vorhanden, aber die Umsetzung wirkte auf nicht ganz ausgereift.
Vom Ambiente her hat das Buch einiges zu bieten: Die abgelegene Umgebung, das verschneite, nebelige Wetter und die unterschwellig bedrohliche Stimmung sind sehr gelungen. Die Spannung bleibt jedoch meist im Mittelfeld. Viele Szenen bestehen aus Spaziergängen, Reflexionen und dem Durchleben von Erinnerungen. Packende Wendungen gibt es, die aber nicht im großen Stil überraschen. Das klassische Psychothriller-Feeling, das einen atemlos durch die Seiten hetzen lässt, blieb für mich aus.
Meiner Meinung bedient sich „Verirrt“ einer atmosphärischen Kulisse und einer grundsätzlich exzellenten Handlung. Dennoch fühlte sich der Thriller für mich lauwarm an. Es ist interessant, gelegentlich fesselnd, aber nicht mitreißend genug, um die Spannung dauerhaft hochzuhalten. Ich weiß, dass Michaela Kastel einnehmende Thrillerstimmung beherrscht, aber diesmal hat sie sich doch ein wenig verirrt.
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