Dienstag, 19. Juni 2018

Rezension: Ein feiner dunkler Riss - Joe R. Lansdale

© Suhrkamp Verlag
Ein feiner dunkler Riss
| Joe R. Lansdale |

Verlag: Suhrkamp Verlag 2014
Seiten: 351 
ISBN: 9783518464977

MEINE BEWERTUNG 

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Texanischer Sommer

Texas, Ende der 1950er-Jahre. Der 13jährige Stanley hat bis vor Kurzem noch an den Weihnachtsmann geglaubt. 1958 muss er dann auch noch lernen, woher die Kinder kommen, was Rassismus ist und wie gewaltigtätig die Menschen um ihn herum sein können. Gleichzeitig erlebt er einen unvergesslichen Sommer, weil er einer Spukgestalt auf die Schliche kommt.

Stanleys Familie zieht in einen kleinen Ort, wo sein Vater ab sofort das hiesige Autokino betreibt. Der Sommer zieht ins Land und Stan macht einen merkwürdigen Fund: mitten im Wald hinter dem Haus befindet sich die Ruine einer abgebrannten Villa und er kommt dadurch einem Geheimnis auf die Spur.

Im Sommer 1958 wird Stanley sehr viel für sein Leben lernen. Er stellt Nachforschungen zu seiner Entdeckung an und stellt sich einer aufregenden Gespensterjagd, die Konsequenzen haben wird.


Dem Leser wird direkt von Stanley seine Geschichte erzählt. Dabei ist es sehr unterhaltsam, die Welt aus den Augen eines 13jährigen Jungen zu betrachten, der noch dazu ein wirklich feiner Kerl ist. Stan mag Comics, ist sehr an den Hintergründen um den Spuk interessiert und packt daheim mit an. Er merkt, dass manch andere Kinder im Texas der 50er-Jahre ganz andere Pflichten als er zu erfüllen haben und weiß, dass er in eine gute Familie hineingeboren ist.


Oberflächlich betrachtet geht es um Stanleys Kindheit und wie er langsam erwachsen wird. Hier finden sich deutliche Züge eines Coming-of-Age-Romans, weil sich Stan im Laufe des Sommers rätselhafte Zusammenhänge erschließen. 


"Man denkt, man wär erwachsen, und irgendwann weiß man, man wird es nie." (S. 268)


Ihm wird erklärt woher die Babys kommen und wie man das mit einem Ballon verhindern kann. Er sieht, dass Gewalt zwar keine Lösung, aber ein herkömmliches Mittel ist, und begreift, dass viele Menschen Rassisten sind. 


Diese tiefgreifenden Themen sind ganz typisch für Lansdale und er webt sie gekonnt in die Handlung ein. Mir gefällt, wie geschmeidig die Ereignisse ineinandergreifen und wie locker der Tonfall bei allen Situationen bleibt. Dabei zeichnet sich Lansdale durch seine rohe Ausdrucksweise aus und kann gleichzeitig poetisch werden. 


Die Handlung ist eher ruhig erzählt und weist trotzdem einige dramatisch sowie spannende Momente auf. Zentral ist Stans Sommer, wobei das Geheimnis mal mehr, mal weniger in den Vordergrund rückt. Es gibt nur eine Angelegenheit, die der Autor meiner Meinung nach am Ende nicht zum Abschluss bringt und deshalb mein einziger Kritikpunkt ist. 


Besonderes Augenmerk liegt auf der Zeit der 1950er-Jahre, die Lansdale dem Leser in jedem Moment spüren lässt. Man könnte beim Lesen fast nostalgisch werden, weil man richtig im damaligen Flair abtauchen kann. Charme aber auch Schattenseiten brodeln durch die Seiten, während man mit Stanley im Autokino sitzt, mit dem Fahrrad Spukhäuser erkundet oder ganz einfach mit Hund Nub draußen spielt. 


Mich hat Joe R. Lansdale erneut in die dichte Atmosphäre seiner Erzählung gezogen und mir eine berührende Geschichte erzählt. Es ist alles dabei, was einen guten Roman ausmacht und ich will unbedingt mehr von dem Autor lesen. 


„Ein feiner dunkler Riss“ ist ein bewegender Coming-of-Age-Roman mit kriminalistischer Spannung, mitreißenden Gruselmomenten und eindringlichem Flair, den ich nur empfehlen kann.

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MEINE BEWERTUNG

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11 Kommentare:

  1. Huhu Nicole :D

    Klingt echt gut, besonders wieder einmal von der Zeit! ;) Ich weiß auch nicht, warum die Vergangenheit immer so schön atmosphärisch ist, die Gegenwart meistens aber kaum ...

    Von dem Autoren wollte ich im letzten Jahr übrigens "Drive-In" lesen, das Buch klang echt gut, doch dann kamen so viele negativen Meinungen, dass ich irgendwie die Lust verloren hatte! Nach deiner Rezension ist mein Interesse aber wieder geweckt! :D

    Liebe Grüße
    Jessi

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    1. Hallo Jessi,

      "Drive-In" sagt mir (noch) nichts, aber da ich mich in Lansdales Stil verliebt habe, kann das noch werden. :) Am besten hat mir bisher "Die Wälder am Fluss" gefallen, gleich gefolgt von "Dunkle Gewässer". Im Vergleich zu den beiden Büchern ist "Ein feiner dunkler Riss" eher schwach. Mein Mann ist von Lansdales Büchern genauso begeistert.

      Hibi und ich möchten noch ein paar Bücher von ihm gemeinsam lesen, vielleicht schließt du dich uns an, wenn es so weit ist? Derzeit haben wir "Blutiges Echo", "Das Dickicht" und "Bluthitze" im Visier.

      Hm, meinst du, dass die Atmosphäre am verklärenden Blick auf die Vergangenheit liegt? Stimmt aber, Bücher, die in der Vergangenheit spielen sind meist intensiver. Aber, "Ein wenig Leben" ist wohl eines der intensivsten Bücher, die ich jemals gelesen, das spielt an und für sich in der Gegenwart.

      Liebe Grüße,
      Nicole

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    2. Huhu Nicole :D

      Oh ja, das sollten wir echt mal in Angriff nehmen, dann kann ich seine Bücher auch mal ausprobieren! :D Und die Leserunden mit euch machen echt immer großen Spaß! :D

      Irgendwie habe ich schon das Gefühl, dass Bücher in der Vergangenheit intensiver sind. Besonders so die 60/70er Jahre find ich immer sehr atmosphärisch, vielleicht liegt es auch einfach daran, dass es damals noch keine Smartphones, Social Media usw. gab xD Aber man kann natürlich auch aus der Gegenwart sehr viel rausholen, nur manchmal finde ich das Moderne zu anstrengend ;/

      Meine intensivsten Lesemomente hatte ich wohl mit King, aber auch mit John Saul oder auch Richard Laymon, halt so Bücher, wo man zu 100% drin ist und alles andere vergisst :D Das ist schon was Besonderes! :D

      Liebe Grüße
      Jessi

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    3. Hallo Jessi,

      ich freue mich sehr, wenn du mit uns gemeinsam weitere Bücher von Lansdale entdecken willst. Der Titel oben hätte eigentlich "GLUThitze" heißen sollen - da hat sich die Autokorrektur eingemischt. :)

      King beschert mir auch immer sehr intensive Bilder und zieht mich richtig in seine Handlung rein. Hier sind sich King und Lansdale sehr ähnlich, wobei ich Lansdale bisher als Mischung zwischen Stephen King und Harper Lee empfinde. Wahnsinnig gut, also! :)

      John Saul sagt mir gar nichts. Den Autor muss ich mir anschauen. Mit Laymon werde ich leider nicht warm. Aber es kann einem ja nicht jeder Autor liegen.

      Liebe Grüße,
      Nicole

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    4. Huhu :D

      Du hast mich auf jeden Fall echt neugierig auf Joe Lansdale gemacht! :D Da müssen wir echt mal was lesen! :D "Bluthitze" ist übrigens aber auch ein guter Titel xD
      Also ich bin dann auf jeden Fall dabei und ich hoffe, ich werde so begeistert wie Hibi und du sein! :D

      Ich glaube, John Saul könnte auch dein Geschmack sein :D Er schreibt auch sehr atmosphärische Bücher beziehungsweise er hat geschrieben, seine Bücher sind ja auch schon recht alt! :D

      Liebe Grüße und ein schönes Wochenende

      Jessi

      PS: bekommst du eigentlich auch keine Benachrichtigung von Blogger über Kommentare mehr? Ich bekomme echt keine Emails mehr, wenn ich einen Kommentar habe oder bei jemanden kommentiert habe ;/

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    5. Unbedingt, Jessi! Und ich bin mir fast zu 100 % sicher, dass dir seine Bücher gefallen (zumindest die, die ich bisher gelesen habe). Bzgl. Leserunde wäre für mich erst Anfang Oktober ideal. Bis dahin bin ich gut beschäftig. :D

      Und ja, ich werde auch nicht mehr über Kommentare benachrichtigt außer ich abonniere über die Kommentarfunktion. Bei etlichen Kommentaren habe ich daher auch schon ziemlich spät geantwortet ... total blöd!

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    6. So, und jetzt habe ich im ganzen Trubel auf die lieben Grüße an dich vergessen! Mach' dir ein feines Wochenende!

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  2. Wenn ich das Buch nicht schon gelesen hätte, würde ich es an dieser Stelle nachholen, liebe Nicole.^^ Aber he, DU hast mich ja schon süchtig nach den Büchern des Autors werden lassen, somit sage ich nicht nur für die gemeinsame LR -> DANKESCHÖN.
    Wie ich sehe, machst du schon für kommende Runden Werbung. :D
    Wenn ich deinen Kommentar bei mir richtig verstanden habe, reden wir von Oktober ??? Echt jetzt ??? Da bekomme ich ja Entzugserscheinungen.
    Aber schön, dass Jessi gern dabei sein mag. Freu mich auf das gemeinsame Lesen mit euch. ;-)
    Und danke für die tolle Rezi.
    Liebst, Hibi

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    1. Hallo liebe Hibi,

      dieser Lansdale hat schon was drauf, oder? Ich bin auch total im Lansdale-Fieber. Bisher habe ich alle seine Bücher geliebt - das heißt schon was. Vielen Dank für die schöne Leserunde.

      Ja, ab Oktober. ^^ Ich komme aber gleich zu dir zum Kommentieren. :D

      Liebe Grüße,
      Nicole

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  3. Ein Buch, was mir noch in meiner Lansdale Sammlung fehlt. Wobei da auch noch einige mehr fehlen *hüst* Klingt auf jeden Fall sehr gut!

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    1. Haha, mir fehlt auch noch einiges von ihm! Also, falls dich nach einer Lansdale-Leserunde lüstet, du kannst dich uns gern anschließen. Es wird aber noch etwas dauern ...

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