Montag, 3. Februar 2025

Rezension: Ferryman - Justin Cronin

Ferryman - Justin Cronin
© Goldmann
Ferryman
| Justin Cronin |

Verlag: Goldmann 2024
Seiten: 720
ISBN: 978-3442315260

MEINE BEWERTUNG 
- ★★★
 - 
 


Eine rätselhafte Reise von faszinierendem Ausmaß

Mitten im Meer liegt Prospera. Die Menschen leben in nahezu perfekter Idylle, vollkommen abgeschieden vom Rest der Welt. Nach einem privilegierten und erfülltem Leben werden die Prosperaner vom Fährmann zum Ende geleitet. 
Doch was geschieht, wenn Proctor Bennet, der Fährmann selbst, seinen Beruf in Frage stellt?

Justin Cronin hat mich vor Jahren mit seiner Passage-Trilogie und einer gar meisterhaften Erzählkunst überzeugt. Ihm liegt der Epos im Blut und daher wartete ich gespannt auf das neueste Buch von ihm. 

In „Ferryman“ greift der Autor auf eine Mischung aus philosophischen Fragen in einer augenscheinlich dystopischen Welt zurück. Damit schafft er einen Roman, der zugleich fesselnd und herausfordernd ist. 

Auf der Insel Prospera lebt eine vermeintlich perfekte Gesellschaft. 

„Man könnte sagen, Prospera selbst ist ein Kunstwerk, eine Leinwand, auf der jeder unserer Bürger einen auf das Kunstfertigste ausgeführten Pinselstrich zur Geltung bringt.“ (3 %, eBook)

Es wirkt wie ein Paradies, das aber bei genauerer Betrachtung Risse zeigt. Neben der Hauptinsel liegen außerdem die kleineren Nachbarinseln Annex und Nursery, welche beide lange mysteriös bleiben und für Spannung sorgen.

Dazu erschafft Cronin eine Welt voller Details, die zum Nachdenken anregen und das Geschehen selbst in Frage stellen. Dem Titel geschuldet ist das Thema um den Umgang mit dem Tod federführend, dennoch fand ich es gar nicht so zentral, wie man vielleicht auf den ersten Blick vermuten will.

Proctor Bennet ist der titelgebende Fährmann und ein untypischer Held. Er stellt sein Leben, seinen Beruf, seine Gefühle und selbst seine Erfahrungen in Frage. Anfangs hatte ich den Eindruck, dass sich der Herr mit einer aufkeimenden Midlife-Crisis plagt. Doch man merkt, es ist etwas an seiner Wahrnehmung dran, und langsam aber sicher gerät er in einen gefährlichen Strudel, der ihn an die Grenzen bringt. 

Ich nenne es mal ganz hoch gestochen einen Weg der Erkenntnis, den Proctor begeht, und er nimmt den:die Leser:in auf eine facettenreiche Reise mit. 

„Was um alles auf der Welt hatte das zu bedeuten? Das Ganze ergab keinen Sinn, im Gegenteil …“ (50 %, ebook)

Gefühlt war von allem etwas gegeben: Poltische Intrigen, Spionage, Familiengeheimnisse, die große Liebe und eine Entdeckung, die Proctor und den Leser:innen die Schuhe auszieht. Es ist packend, spannend, verwirrend und melancholisch zugleich, wenn man mit ihm in dieses mitreißende Geschehen gerät.

Die Nebenfiguren, wie die rätselhafte Thea oder die kreative Elise, verleihen Proctor und seiner Geschichte weitere Tiefe, auch wenn ich in einigen Charakteren eher einen symbolischen Zweck gesehen habe. Besonders die Beziehung zwischen Proctor und Caeli hat mich berührt, vor allem in Anbetracht der Enthüllungen am Ende. 

Die Handlung ist ein wahrer Knall. Schwierig wird es, wenn ich es näher beschreibe. 

„Ein Irrenhaus, das war es hier. Ein Trip in den absoluten Wahnsinn.“ (53 %, eBook)

Zuerst wirkt es wie ein herkömmlicher Roman, eingebettet in einer detailliert beschriebenen, utopischen Welt. Danach hatte es etwas in Richtung Dystopie beziehungsweise Polit-Thriller und mündet in einem überrumpelnden Finale, das die gesamte Geschichte auf den Kopf stellt. Die Idee hat mir äußerst imponiert und die Umsetzung fand ich großteils ausgezeichnet. 

Woran ich zu knabbern habe, ist, dass Cronin in diesem Werk mit Traumsequenzen arbeitet und mir diese einfach nicht liegen. Ich verabscheue es als Leser:in in den Träumen der Figuren ausgesetzt zu werden, was in „Ferryman“ durchaus häufig vorkommt.

Thematisch ist Cronin, meinem Eindruck nach, außerdem bei den ganz großen Fragen. Für mich ging es unter anderem darum, was die Identität eines Menschen ausmacht und wie wir uns diese im Laufe des Lebens bewahren, sofern wir das überhaupt wünschen. Selbstverständlich spielen Verlust und Trauer ebenso eine Rolle, da dies dem Motiv des Fährmanns entspricht.

Justin Cronins Schreibstil ist gewohnt überzeugend. Er schreibt bildhaft in einer eindringlichen Erzählweise, was über den gesamten Roman hinweg fesselnd, wenn auch in manchen Momenten fordernd, ist. Beeindruckt hat mich, wie er die verschiedenen Ebenen seines Romans miteinander verknüpft, ohne den Überblick zu verlieren. Dennoch denke ich, dass einige Leser:innen das Gesamtgeschehen als sprunghaft und anstrengend empfinden.

„Ferryman“ war für mich gedanklich anspruchsvoll und eine tiefgründige Lektüre. Justin Cronin fordert seine Leserschaft abermals mit komplexen Themen in verschachtelten Handlungssträngen heraus. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, wird mit einer spannenden Reise von faszinierendem Ausmaß belohnt. 
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MEINE BEWERTUNG
★★★★

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