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© Fischer |
| Ulrike Gerold & Wolfram Hänel |
Verlag: Fischer 2022
Seiten: 384
ISBN: 978-3596706983
MEINE BEWERTUNG
- ★★★★★ -
Vom Brauchtum inspirierte Spannungsgeschichte
Alle Jahre während der Rauhnächte verschwinden Frauen und kehren regelrecht zerstört nach diesen 12 Tagen zurück. Sie sprechen nicht darüber, was ihnen geschehen ist. Als Lisa ihre Großeltern über Weihnachten besucht, ist erneut eine junge Frau verschwunden. Warum darf darüber nicht gesprochen werden?
Die Rauhnächte, jene magischen Tage zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag, sind das Zentrum dieses Romans, der sich mit alten Bräuchen, unheimlichen Ritualen und einer tief in der Dorfgemeinschaft verwurzelten Verschwiegenheit auseinandersetzt. Bereits im Vorwort wird deutlich, dass die Autoren sich hier sehr frei an den Mythen und Traditionen orientieren, um eine fesselnde Geschichte zu kreieren. Das empfand ich als kreativen Ansatz, der mich von Anfang an neugierig machte.
Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt. Lisa, die nach vielen Jahren in ihr Heimatdorf zurückkehrt, um Antworten zu finden, und eine mysteriöse junge Frau, die offenbar von Perchten entführt wurde. Während Lisas Geschichte stark von ihrer Vergangenheit mit ihrer Familie geprägt ist, bleibt lange unklar, wie sich die zweite Erzählebene in das Gesamtbild einfügt. Die Frage, ob es sich dabei um ein vergangenes oder aktuelles Geschehen handelt, sorgt für eine unterschwellige Spannung.
Lisas Familie selbst birgt viele Rätsel. Vater und Mutter verunglückten unabhängig voneinander und das Schicksal ihrer Schwester Kathi bleibt lange unklar. Erst nach und nach fügen sich die Teile zusammen, dabei steht die Frage im Raum, ob es wirklich nur unglückliche Zufälle waren.
Besonders reizvoll ist die Frage, was Lisa damals zur Flucht aus dem Dorf bewogen hat und wie ihre Familie in die Geschehnisse verwickelt ist. Dass der Thriller nicht von Action, sondern eher von leiser, unterschwelliger Spannung lebt, hat mir sehr zugesagt. Die Enthüllungen werden langsam gestreut, wodurch die Geschichte eher an einen atmosphärischen Krimi als an einen klassischen Thriller erinnert.
Die brauchtumsschwangere Kulisse ist fühlbar beschrieben. Gerade wer selbst schon einmal in einem verschneiten Alpendorf war, wird sich sofort in die Szenerie hineinversetzt fühlen. Es gibt Touristenhotels, Liftanlagen, kleine Pensionen und ein engmaschiges Dorfgefüge, in dem jeder jeden kennt. Dabei werden Geheimnisse äußerst gut gehütet. Die Mischung aus Urlaubsromantik und spürbarer Bedrohung ist eines der stärksten Elemente des Romans.
Je tiefer Lisa in die Geschehnisse eintaucht, auf desto mehr Widerstand stößt sie. Niemand spricht über die verschwundenen Frauen, über die mysteriösen Unfälle oder die wahre Bedeutung der Wilden Jagd. Insbesondere die Figur der Moni, Lisas beste Freundin aus der Kinder- und Jugendzeit, sorgt für Misstrauen. Zuerst ist sie zugänglich, verschließt sich aber plötzlich, als bestimmte Namen fallen. Ihre Motivation bleibt lange undurchsichtig.
Als ein Ermittler ins Dorf kommt, ausgerechnet eine frühere Bekanntschaft von Lisa, gestaltet sich die gemeinsame Suche nach Antworten schwierig, denn kaum jemand scheint an einer Aufklärung interessiert zu sein.
Die Nebenfiguren, besonders Moni und der Ermittler, bleiben bis zum Schluss undurchsichtig und werfen immer wieder neue Fragen auf. Moni wirkt zunächst wie eine Verbündete, doch ihr Verhalten ist zunehmend widersprüchlich. Der Major aus Salzburg sorgt für eine weitere Ebene der Unsicherheit: Ist er wirklich auf Lisas Seite oder verfolgt er eigene Ziele?
Der Schluss des Buches ist stimmungsvoll und hat mir ausgezeichnet gefallen. Dennoch bleiben zu viele Fragen offen. Der Enthüllung, wer hinter den Taten steckt, fehlt es an manchen Stellen an genaueren Erklärungen. Warum das Dorf so beharrlich schweigt, wird nicht ausreichend thematisiert, was unter anderem ein Ungleichgewicht in der Auflösung hinterlässt. Dennoch empfand ich das Buch fesselnd bis zur letzten Seite.
„Rauhnächte“ ist ein atmosphärischer Thriller, der sich eher wie ein Krimi liest. Die dörfliche Gemeinschaft, das ungesagte Wissen und die winterliche Kulisse erzeugen ein bedrückendes Ambiente. Die Enthüllungen zum Ende hin bleiben allerdings etwas vage, und etliche Fragen werden nicht zufriedenstellend beantwortet. Wer subtile, vom Brauchtum inspirierte Spannungsgeschichten mit regionalem Flair mag, wird das Buch vermutlich dennoch mögen.
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MEINE BEWERTUNG
★★★★★
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Liebe Nicole,
AntwortenLöschendu hast eine sehr schöne Rezi zu unserem gemeinsamen Leserundenbuch geschrieben. Ich bin erst dabei....momentan komme ich kaum nach.
Ich habe das Bücher schon an meine Nichte weitergereicht, die auch sehr gerne Krimis dieser Art liest. Ein Thriller war es für mich auch nicht wirklich...
Liebe Grüße
Martina