Dienstag, 25. Januar 2022

Rezension: Das Lied der Arktis - Bérengère Cournut

Das Lied der Arktis - Bérengère Cournut
© Ullstein
Das Lied der Arktis
| Bérengère Cournut |

Verlag: Ullstein Verlag 2020
Seiten: 256 
ISBN: 9783550200977

MEINE BEWERTUNG 

 
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Anthropologischer Inuit-Roman

Es ist Nacht in der Arktis. Das Eis bricht und Uqsuralik ist allein. Sie wird von ihrer Familie getrennt. Mit wenig am Leib, weiß sie, dass sie in Bewegung bleiben muss, damit sie nicht der Kältetod holt.

"Das Lied der Arktis" ist ein anthropologischer Roman, der sich mit dem Leben der Inuit auseinandersetzt und damit den Leser näher bringt.

Als Uqsuralik von ihrer Familie getrennt wird, trägt sie nur ein Bärenfell. Tagelang kämpft sie sich durch Kälte und Eis, bis sie eine andere Gruppe trifft, der sie sich anschließt. Aber auch hier fehlt die Wärme des Sonnenscheins.

Autorin Bérengère Cournut vermittelt einen bleibenden Eindruck von dieser fremden, teilweise bizarr wirkenden, Kultur.

Dazu leitet Protagonistin Uqsuralik durch die Handlung. Es geht weniger darum, eine Geschichte zu erzählen, sondern in die Lebensumstände dieser Kultur einzutauchen. Dazu verzichtet die Autorin auf jegliche Schnörkel und berichtet aus Uqsuraliks Perspektive, wie sie sich ihrem Alltag in der Arktis stellt.

Der Leser erfährt ihre Sicht auf die Welt und es sind befremdliche Blickwinkel, die es einzunehmen gilt. Uqsuralik baut Iglus, geht auf die Jagd, verspeist mit Hochgenuss rohes Fleisch und wird später Ehefrau und Mutter. Dabei nimmt man an ihren Gedanken teil, bekommt die raue Natur zu spüren und verliert sich in einer fremdartigen Lebensweise, die völlig anders als unsere ist.

Anhand dieses Romans habe ich viel über die Inuit gelernt. Bisher hatte ich mich kaum mit ihnen beschäftigt. Ich wusste nicht, dass sie als Nomaden leben, die Gruppen nach Bedarf tauschen, an eine Art Wiedergeburt glauben und im körperlichen Sinn freier Liebe nachgehen.

Dabei spart Bérengère Cournut die brutalen Seiten dieser Lebensart nicht aus: Kinder werden dem Tod überlassen, Beutetiere aufgeschlitzt und ihr Blut getrunken, medizinische Hilfe besteht aus dem Singen von Liedern und verstörendem Aberglauben, und zu guter Letzt geben sich die Inuit dem Leben hin, wie es kommt. 

Der Erzählstil erinnert an eine Fernsehdokumentation in der die Gedanken der agierenden Personen veranschaulicht sind. Gefehlt hat es mir an Hintergrundinformationen und genaueren Erläuterungen. Teilweise war mir nicht klar, wie manche Kapitel gemeint sind. In einigen Passagen lassen sich Vision nicht von Realität trennen, der Interpretationsspielraum ist groß und mir als Leserin ohne Vorwissen fiel es schwer, diese Szenen einzuordnen.

Ein erwähnenswerter Punkt sind die titelgebenden Lieder, die das gesamte Werk begleiten. Nach jeder Passage wird ein Inuit-Lied gesungen, welches das Gewesene, Geträumte und das Zukünftige behandelt. Deshalb gehe ich davon aus, dass Lieder für die Inuit ein wesentlicher Bestandteil ihrer Kultur sind, ohne dass es im Buch explizit erwähnt wird.

Der Blick in eine fremde, für mich bizarre, Kultur hat mir ausgesprochen gut gefallen. Ich fand die Art und Weise, wie Bérengère Cournut an die Inuit heranführt, sehr empathisch und respektvoll. Sie dichtet keinen verschnörkelten Roman, sondern führt den Leser in prosaischer und trotzdem realistisch-brutaler Manier an diese Welt heran.

Wer sich nicht daran stört, keinen erzählenden Roman, sondern eine anthropologische Darstellung in den Händen zu halten und sich für die Inuit und ihre Lebensart interessiert, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.
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MEINE BEWERTUNG
★★★★

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8 Kommentare:

  1. Schönen guten Morgen!

    Auf die Rezension von dir war ich schon sehr gespannt, da ich gesehen habe, dass Martina das Buch abgebrochen hat.
    Der Stil scheint ja schon sehr eigen zu sein, aber die Einblicke in das Leben der Inuit stelle ich mir definitiv spannend vor. Das dachte ich mir schon, als ich "Terror" von Dan Simmons gelesen hab. Die landen da ja mit den Schiffen irgendwo im ewigen Eis und begegnen dort auch den umherziehenden Inuit. Aber da bekommt man von deren Leben nicht wirklich viel mit.

    Ich denke, ich müsste mal in die Leseprobe reinschnuppern,ob ich mit dem Erzählstil klar komme...

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo Aleshanee,

      ja, Martina hat's gar nicht gefallen. Ich habe auch das Gefühl, dass sie sich einen 'normalen' Roman erwartet hat. Ich wusste im Vorhinein, dass es ein außergewöhnliches Buch ist und habe es sogar deshalb gekauft.

      Nicht wahr? Dieses Inuit-Leben ist völlig anders als unseres. Die ganze Kultur und das Drumherum wirkt wie von einem anderen Stern. Zwar klärt dieses Buch diesbezüglich nicht auf, weil man kein Hintergrundwissen bekommt, aber der Einblick ist besonders.

      Ja, unbedingt, einfach mal ein paar Seiten reinlesen. Nur die Lieder mochte ich gar nicht, aber ich mag ganz allgemeine keine Lieder, Gedichte oder Träume in Büchern.

      Liebe Grüße
      Nicole

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    2. Hallo ihr Lieben!
      Eigentlich habe ich mir nicht ganz einen "normalen" Ro,man erwartet, aber ich kam trotzdem mit dem Schreibstil nicht zurecht. Das Leben der Inuit ist sicherlich sehr interessant und kommt uns vor, wie auf einem anderen Stern. Auch die Gedichte gefielen mir nicht...tja, so ist es eben.
      Alles Liebe
      Martina

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    3. Hallo Martina,

      der Schreibstil ist auf jeden Fall sehr eigenen. Manchmal passt es einfach nicht. Die Lieder mochte ich auch nicht. Aber ich denke, die gehören zu den Inuit dazu und waren deshalb drin. Hier wären mehr Hintergrundinformationen fein gewesen.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  2. Huhu Nicole,
    Du scheinst ja im Moment echt viele eisige Bücher zu lesen, haha. Nach "Terror" hatte ich erst Mal genug davon, gedanklich noch mit Minusgraden konfrontiert zu werden, haha.

    Ich finde die Geschichte der Inuits selbst aber auch sehr spannend. Ich habe vor kurzem auch ein Buch zu diesem Thema gefunden, das heißt "Zeit der Eisblüten", ich hab's aber erst Mal beiseite gelegt und werde es wohl erst lesen, wenn es wärmer ist.

    Liebe Grüße
    Jessi

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    1. Hallo Jessi,

      ich weiß auch nicht, was da los ist. Momentan passe ich meine Lektüre wohl unbewusst dem Wetter an. :D Aber mir ist mittlerweile sehr nach wärmeren Temperaturen. Und nach meinem aktuellen Buch (es spielt im eisigen Alaska), darf's ruhig mal wieder hitziger werden. XD Ja, "Terror" ist ja auch so ein kaltes Buch.

      Als ob die Inuit auf einen anderen Stern leben würden! Das ist so eine unglaubliche Lebensform und Kultur und sie haben mich richtig faszinierend. Ich habe mich eigentlich nie mit ihnen beschäftigt und finde es schön, dass man durch Bücher so viele Erfahrungen macht. Auch wenn's nur im Papier bzw. im Kopf ist.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  3. Liebe Nicole

    Ich kenne bisher nur Martinas Rezension und nun freut es mich, von dir noch eine ganz andere Sichtweise zu lesen. Wenn man halt einen Roman erwartet, ist es sicher ein schwieriges Buch. Man muss sich schon sehr darauf einlassen, aber ich finde auch, dass der Verlag das Buch vielleicht ein wenig anders hätte präsentieren/aufmachen können, damit es ans richtige Publikum gelangt...

    Auf jeden Fall freut es mich, dass du lehrreiche Lesestunden hattest und ich werde mir wohl einfach einmal eine Lesprobe ansehen.

    Alles Liebe an dich
    Livia

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    1. Hallo Livia,

      mit der Aufmachung sprichst du einen wichtigen Punkt an. Das geht an mir immer vorbei. Mir fallen Bücher meist gar nicht aufgrund der Aufmachung auf, sondern eher wegen Rezensionen, die mich darauf neugierig machen, auf. Daher habe ich dem Cover bisher noch gar keine Beachtung geschenkt.

      Ich fand es sehr faszinierend und es war so ungewöhnlich, mal ganz was anderes.

      Liebe Grüße
      Nicole

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