Samstag, 25. März 2023

Rezension: Die Chroniken der Meerjungfrau - Der Fluch der Wellen - Christina Henry

Die Chroniken der Meerjungfrau - Der Fluch der Wellen - Christina Henry
© Penguin Random House
Die Chroniken der Meerjungfrau - Der Fluch der Wellen
| Christina Henry |

Verlag: Random House Audio 2021
Dauer: 9 h : 23 min 
ASIN: B09HKY1Y85
Sprecher: Birte Schnöink

    MEINE BEWERTUNG
      ★★★★- 


Eine wunderliche Kuriosität

Es war einmal ein einsamer Fischer, der eine Meerjungfrau fand. Die Meerjungfrau war vom Wesen des Fischers gerührt und blieb bei ihm. Sie leben glücklich bis ans Ende seiner Tage. Doch die Meerjungfrau war unsterblich und ein Zirkusbesitzer war glücklich, dass er eine Meerjungfrau für seine Ausstellung fand.

„Die Chroniken der Meerjungfrau - Der Fluch der Wellen“ ist eine weitere düstere Märchenadaption von Christina Henry, welche mich bereits mit ihren Interpretationen von „Peter Pan“ und „Alice im Wunderland“ ins Staunen versetzte.

Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man ohne Erwartungshaltung an Henrys Idee der Meerjungfrau geht, weil die Autorin bisher mit Brutalität und versiertem Horror-Ambiente glänzte. Der Fluch der Wellen spricht zwar ebenfalls das Grauen an, doch auf eine andere Weise, was gegebenenfalls zu Enttäuschung bei der Lektüre führt.

Zuerst ist es ein übliches Märchen, wie man es aus berühmten altehrwürdigen Sammlungen kennt. Der Fischer und die Meerjungfrau werden ein Paar, sie sind glücklich mit ihrem bescheidenen Leben, bis der Fischer das Ende seiner Tage erreicht. Dieser Part ist in einer entsprechenden märchenhaften Weise beschrieben. Daraufhin nimmt der Stil einen moderneren Anstrich an.

Die Geschichte spielt in einer Zeit, in der Aussteller und Museen mittels Kuriositäten-Kabinett das Publikum bannten. Bärtige Frauen, kleingewachsene Männer, siamesische Zwillinge oder eben eine Meerjungfrau lockten Scharen von Menschen, die gerne staunten, an.

Sehr gut gefallen hat mir diesbezüglich der kleine Seitenhieb auf die bekannte Meerjungfrau-Mumie, welche zur Hälfte Mensch und zur Hälfte Fisch zu sein scheint und die letzten 40 Jahre in einem japanischen Tempel aufbewahrt wurde.

Christina Henrys Meerjungfrau, Amelia genannt, nutzt den Ruf der Kuriositäten für sich. Sie verfolgt eigene Ziele und ist eine selbstbestimmte Frau, die selbstbewusst verhandelt, Privilegien einfordert und sich die Gier des Eigentümers zunutze macht.

Das Kernthema ist trotz des märchenhaften Gewands meinem Empfinden nach, die weibliche Rolle im Zeitverlauf. Jemanden wie Amelia hat diese Epoche, unabhängig von der fischigen Gestalt, selten gesehen. Als Kontrast werden ihr Damen von damals gegenübergestellt. Die Autorin arbeitet weibliche Rollenvorstellungen im historischen Kontext heraus, gibt ihnen einen märchenhaften Touch und schafft trotzdem ein Bewusstsein dafür.

Gleichzeitig wird verdeutlicht, dass die Umstände nicht immer zugunsten von Toleranz und Nächstenliebe sind, und manch großherzige Grundhaltung im Lauf des Lebens auf der Strecke bleibt.

Gefehlt hat ein Spannungsbogen, weil die Geschichte plätschert. Nachdem sich Amelia in die Fänge des Geschäftsmanns begibt, tut sich nicht besonders viel, außer, dass sich das Leben vor ihr offenbart, was an und für sich schon ein gewaltiger Akt ist. Sie merkt sozusagen, wie der Hase läuft, und lernt sich selbst, ihr Wesen, ihre Wünsche und Bedürfnisse kennen. Die Geschichte ist einerseits seicht, trotzdem auf eigentümliche Art komplex.

Eingewoben ist außerdem eine leidliche Liebesgeschichte, die weder Fisch noch Fleisch ist, und vielleicht gerade deshalb in Amelias Situation authentisch ist. Den Tod ihres Fischers hat sie nie verwunden und trotzdem öffnet sie, zumindest ein wenig, ihr Herz. Dadurch kommt eine melancholische Grundstimmung auf, die über dem gesamten Roman hängt. 

Es ist eine kuriose Geschichte von Liebe, Trauer, Verlust, Gier, Neid, Hoffnung und Selbstfindung. Mir hat diese Version der Meerjungfrau gefallen, obwohl Christina Henry mit ihrem bisherigen Dunklen-Chroniken-Stil bricht. Diesmal bleibt sie nahe an, teilweise historischen, Themen der Realität, was durchaus für eine interessante Lektüre spricht.
________________
MEINE BEWERTUNG
★★

Die dunklen Chroniken:
1) Die Chroniken von Alice. Finsternis im Wunderland
2) Die Chroniken von Alice. Die Schwarze Königin [Rezension lesen]
3) Die Chroniken von Alice. Dunkelheit im Spiegelland [Rezension lesen]
4) Die Chroniken von Peter Pan. Albtraum im Nimmerland [Rezension lesen]
5) Die Chroniken der Meerjungfrau. Der Fluch der Wellen
6) Die Chroniken von Rotkäppchen. Allein im tiefen, tiefen Wald [Rezension lesen]
7) Die Legende von Sleepy Hollow - Im Bann des kopflosen Reiters [Rezension lesen]
8) Der Geisterbaum
9) Der Knochenwald

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6 Kommentare:

  1. Hi Nicole!

    Zu dieser Geschichte hab ich schon einige Rezensionen gesehen und die meisten scheinen da wirklich eine ganz andere Erwartung gehabt zu haben. Ich finde es ja faszinierend, dass die Autoren bei jeder Geschichte etwas anders herangeht und sie sehr unterschiedlich ausfallen.

    Dass es nur so dahinplätschert - das kommt immer drauf an. Ich brauch nicht immer einen großen Spannungsbogen, wenn es gut geschrieben ist und mich fesselt. Aber das kommt dann auf viele Faktoren an.

    Vielen Dank für deine Meinung! Ich hab ja immer noch nicht Rotkäppchen gelesen und werde mich danach erst entscheiden, zu welchem Buch von ihr ich als nächstes greife ^^

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo Aleshanee,

      da ich das Buch doch nicht nah zum Erscheinungstermin gelesen habe, konnte ich anhand der bisherigen Meinungen besser einschätzen, was da auf mich zukommt. Ich wusste vorher schon, dass es eher in Richtung Liebe geht und nicht so brutal wie die anderen Bücher ist. Trotzdem ist es kein Liebesroman. Wenn ich direkt nach Peter Pan unvorbereitet dazu gegriffen hätte, dann hätte es mir sicher nicht so gut gefallen.

      Genau diesen Punkt mag ich ebenfalls, dass Christina Henry diese alten Geschichten und Märchen auf ihre Weise verpackt. Deshalb möchte ich unbedingt auch die anderen Bücher lesen. Manche gefallen mir besser, andere schlechter, doch es ist auf jeden Fall eine interessante Leseerfahrung.

      Das Rotkäppchen habe ich ja auch noch nicht gelesen. Da würde ich mich bei dir melden, wenn es so weit ist bzw. wenn es bei mir in die nähere Auswahl kommt.

      Liebe Grüße
      Nicole

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    2. Ja, melde dich auf jeden Fall! Ich habs mir jetzt erstmal für August notiert *lach* Ich weiß das ist noch lange hin, aber ich jetzt steht es immerhin schonmal auf meinem Plan. Aber ich kann das natürlich gerne ändern wenn es passt ;)

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    3. Guten Morgen Aleshanee,

      August würde für mich super passen. Ich notiere es mir auch und dann sehen wir einfach weiter. :)

      Liebe Grüße und schönen Sonntag
      Nicole

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  2. Hallo Nicole,
    ich mochte die Geschichte der Meerjungfrau sehr gerne. Ja, man erwartet etwas ganz anderes, nachdem man ihre vorherigen Adaptionen gelesen hat, aber mir hat es gerade deshalb gefallen, weil sie wahre Ereignisse miteingebunden hat.
    Liebe Grüße
    Diana von lese-welle.de

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    1. Hallo Diana,

      ich fand es auf seine Weise auch sehr bezaubernd und ideenreich. Es passt nicht ganz zu den anderen Erzählungen der Autorin, wobei, dann wieder schon, weil es auch eine Märchenbasis hat.

      Liebe Grüße
      Nicole

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