Freitag, 18. März 2022

Rezension: Der letzte Tod - Alex Beer

| Alex Beer |

Verlag: Random House Audio 2021
Dauer: 6 h : 39 min (gekürzt)
ASIN: B09HKZBVLV
Sprecher: Cornelius Obonya

MEINE BEWERTUNG

 
★★★★- 



Der letzte Tod

"Wien im September 1922: Die Inflation nimmt immer weiter Fahrt auf, die Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche, und der Staatsbankrott steht kurz bevor. Unterdessen haben Kriminalinspektor August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter es mit einem grausigen Fund zu tun: Auf dem Gelände des Wiener Hafens wurde in einem Tresor eine mumifizierte Leiche entdeckt. Und dabei bleibt es nicht, denn der Mörder tötet nach einem abscheulichen Muster, und er hat sein nächstes Opfer schon im Visier. Doch damit nicht genug: Ein alter Feind aus Emmerichs Vergangenheit taucht wieder auf – und er trachtet dem Ermittler nach dem Leben …"
(Klappentext: Penguin Random House)

„Der letzte Tod“ ist mittlerweile der fünfte Band der Krimi-Reihe um August Emmerich, der in Wien nach dem Ersten Weltkrieg in der Abteilung für Leib und Leben Mördern und Verbrechern auf die Schliche kommt.

Diese Reihe begeistert mich tatsächlich mit jedem Band, weil Alex Beer die Atmosphäre um das historische Wien jener Zeit gekonnt vor Augen führt. Die Autorin beleuchtet den Anfang der 1920er-Jahre in vielen Facetten. Die Menschen sind nach wie vor vom Krieg gebeutelt. Sie hungern, frieren, die Kosten steigen täglich und sie mühen sich ab, in der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird. 

Die geschichtlichen Nebenhandlungen und Fakten sind souverän eingebaut und gekonnt mit dem Krimipart verwoben, sodass sich ein dichter historischer Roman ergibt.

Anhand der Figuren erhält man ein stimmungsvolles Gesellschaftsbild, während man sie in ihrem Alltag und bei den Ermittlungen begleitet. Neben Emmerich und Winter erhält man Einblicke in das Leben verschiedenster Gesellschaftsschichten, angefangen vom einfachen Arbeiter über leichte Mädchen bis hin zum wohlhabenden Bankier. Sie sind als Kinder ihrer Zeit dargestellt, was die Atmosphäre unterstreicht.

Außerdem wird diesmal das Verhältnis zwischen Österreich und dem ehemaligen Kronland Ungarn angesprochen. Der Erste Weltkrieg ist erst ein paar Jahre vorbei und für alle Beteiligten ist es sonderbar, dass das alte Gefüge nicht mehr existiert.

Weniger gefallen hat mir, dass Emmerichs private Baustellen arg im Vordergrund sind. Der Inspektor hat es nicht leicht im Leben. Er trägt Wunden aus der Kindheit, aus dem Krieg und von seiner letzten Beziehung. Meinem Geschmack nach wird es mittlerweile zu überladen und ich wäre hocherfreut, wenn zumindest mal ein Part abgeschlossen ist. 

Charmant finde ich, dass Emmerich eindeutig nicht zu den geschmeidigeren Zeitgenossen zählt. Bei dem alten Grantler heißt es die Ohren einziehen, bis endlich seine Gutmütigkeit durch die harte Schale dringt.

Damit kommt die Wiener Grundhaltung zu tragen, die sich sprachlich im provokant-bissigem mehrdeutigen Schmäh zeigt, der mich manchmal auflachen lässt. Als Österreicherin bin ich aus Büchern eher deutsches Deutsch gewöhnt. Umso mehr gefällt es mir, wenn ich sprachlich einen Hauch Heimat in Romanen finde. Trotzdem denke ich, dass die Wendungen für Nicht-Österreicher:innen gleichermaßen verständlich sind. 

Die Ermittlungen um den Fall sind interessant und spannend erzählt. Dem Tod der Mumie aus der Eingangssequenz gilt es auf den Grund zu gehen und den Mörder aufzuspüren. Emmerich und Winter arbeiten sich als mittlerweile eingespieltes Team an diversen Hinweisen ab und merken bald, dass sie dabei falsch abgebogen sind.

Herrlich erfrischend ist, dass nicht nur von Vergangenem die Rede ist, sondern sich das Neue einen Weg bahnt. Zum Beispiel werden die Anfänge der Psychoanalyse eingebaut, worauf der grantelnde Emmerich äußerst skeptisch reagiert. Für einen historischen Roman empfand ich diesen Ansatz als fast zu modern, obwohl es mir ausgezeichnet gefallen hat. Ich kann nicht beurteilen, ob die Polizei damals wirklich so offen gegenüber dieser Methoden war.

Alex Beer lässt das Wien von 1922 auferstehen und zeigt den Leser:innen, wie das damalige Leben in der Hauptstadt gewesen ist. Vergangenheitsbewältigung, gegenwärtige Probleme und moderne Erkenntnisse umrahmt von einem soliden Fall werden als klassische Melange serviert, die definitiv den Erwartungen entspricht. Ich hoffe auf einen weiteren Band.
________________
MEINE BEWERTUNG

Die Reihe um August Emmerich:
1) Der zweite Reiter [Rezension lesen]
2) Die rote Frau [Rezension lesen]
3) Der dunkle Bote [Rezension lesen]
4) Das schwarze Band [Rezension lesen]
5) Der letzte Tod

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4 Kommentare:

  1. Guten Morgen Nicole,
    jetzt ist es schon eine Weile her, dass ich den fünften Band gelesen habe, aber einige Kritikpunkte kann ich unterstreichen, obwohl es ja auch kritik auf hohem Niveua ist. Ich bin ja weiterhin von der Reihe begeistert, wie auch du.

    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Hallo Martina,

      bei mir ist es auch schon länger her, ich bin nur erst jetzt dazu gekommen, dass ich die Rezension in Form bringe und poste.

      Ja, es stimmt, es ist schon Jammern auf hohem Niveau und die Abstriche sind wohl auch dem Reihencharakter an sich geschuldet. Es ist sehr bewundernswert, dass die Reihe weiterhin die Qualität hält. Hoffentlich gibt's einen weiteren Band.

      Liebe Grüße
      Nicole

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  2. Liebe Nicole

    Die Reihe habe ich mir - dank Martina und dir - schon vorgemerkt und es freut mich, dass es bei den Kritikpunkten bei Jammern auf hohem Niveau bleibt ;-)

    Alles Liebe
    Livia

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    1. Hallo Livia,

      die Reihe ist wirklich toll. Alex Beer erzählt so atmosphärisch und es fühlt sich sehr authentisch an.

      Ja, der Emmerich könnte ruhig mal weniger privates Gedöns haben. Das wird mir momentan ein bisserl zu viel. Trotzdem hält die Autorin das Niveau. :D

      Liebe Grüße
      Nicole

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