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© Berlin Verlag |
| Florian Wacker |
Verlag: Berlin Verlag 2021
Seiten: 304
ISBN: 978-3827014344
MEINE BEWERTUNG
- ★★★★★ -
Inmitten weißer Finsternis
Es ist ein Kampf um's Überleben und um eine Liebe. Es ist die wahre Geschichte zweier Seeleute der Amundsen-Expedition von 1919, deren Verbleib bis heute ein Rätsel ist.
1919 steckt die Amundsen-Expedition mit ihrem Schiff der "Maud" im ewigen Eis fest. Peter und Paul erhalten den Auftrag, Dokumente und Briefe in Sicherheit zu bringen und begeben sich dafür auf eine schier endlos erscheinende Reise unter gefährlichsten Bedingungen. Hinzu kommen Verrat, Rivalität und die Sehnsucht nach Anerkennung, die beide Männer bis ans Ende treibt.
Während sie im ewigen Eis um ihr Leben kämpfen und eine Nachricht der Maud überbringen sollen, sind sie von einem weitaus persönlicheren Anliegen gefordert: Die Liebe zu Liv, die Frau, die sie beide begehren und die fernab in Tromsø mit ihren Kindern auf eine ungewisse Zukunft wartet.
Florian Wackers Roman "Weiße Finsternis" basiert auf einer wahren Begebenheit und verbindet den historischen Fall der verschollenen Seefahrer Peter Tessem und Paul Knutsen mit einer fiktiven, aber tiefgehenden Dreiecksgeschichte. Die beiden Männer werden von Roald Amundsen losgeschickt, um Nachrichten von der "Maud" zu überbringen. Ihre Beziehung ist nicht nur von gegenseitiger Abhängigkeit in der lebensfeindlichen Arktis geprägt, sondern auch von der Rivalität um eine Frau: Liv.
Paul und Peter sind faszinierend herausgearbeitet. Sie könnten kaum unterschiedlicher sein: Der eine ist ein Abenteurer, stets auf der Suche nach neuen Ufern, rastlos und ohne festen Anker. Der andere hingegen ist tief verwurzelt, kein geborener Entdecker, und sieht mit Neid auf das, was sein Freund erlebt. Trotz dieser Gegensätze sind die beiden seit Kindheitstagen untrennbar miteinander verbunden. Genauso wie mit Liv, die im norwegischen Hafen die Stellung hält. Besonders gelungen ist die Darstellung, wie sehr Liv in die Rolle der Wartenden gedrängt wird. Während die Männer in eisigen Gefilden unterwegs sind, ist es eigentlich sie, die sich als Entdeckerin sieht. Eine eigene Expedition bleibt ihr als Frau verwehrt. Sie verharrt im Dasein als Hüterin von Haus, Herd und Kindern.
Der Roman ist komplex aufgebaut, mit wechselnden Perspektiven, Zeitebenen sowie Briefen und Notizen, die nach und nach die Ereignisse enthüllen. Die fiktiven Elemente ergänzen die historischen Lücken auf überzeugende Weise. Zu Beginn erfordert dies Konzentration, doch je weiter die Geschichte voranschreitet, desto klarer wird die Struktur. Einzig eine Karte zur geografischen Orientierung hätte hilfreich sein können, da die räumliche Verortung oft schwierig war. Zudem hat mir ein Epilog mit weiterführenden historischen Fakten gefehlt, um das Gesamtbild abzurunden.
Der Erzählstil bleibt distanziert und sachlich, was einerseits die Authentizität unterstreicht, andererseits dazu führt, dass die Charaktere weniger nahbar wirken. Die Figuren sind hervorragend gezeichnet. Man kann sich in diese hineinversetzen, aber es wird kaum eine emotionale Bindung aufgebaut. In der zweiten Hälfte des Romans verstärkt sich der Eindruck, dass gerade diese Distanziertheit die Glaubwürdigkeit erhöht. Ich denke, dass es sich genauso vor mehr als hundert Jahren zugetragen haben könnte.
Zudem beschreibt Wacker die schwierigen Bedingungen der Reise und bezieht sich auf historisch überlieferte bzw. vermutete Zwischenhalte der beiden Männer. Die Umgebung ist eiskalt und lebensgefährlich. Die wenige Vegetation und Tierwelt verdeutlichen die Kargheit und die rohe Naturgewalt, der sie ausgesetzt sind. Das Unbehagen steigt, sobald ein Schlittenhund unpässlich wirkt. Meiner Meinung ist es unglaublich, was Reisende im Eis heutzutage leisten und was sich diese, sozusagen, Pioniere, damals abverlangt haben.
Ebenso eindringlich geht der Autor auf Livs eher tristen Alltag in Norwegen ein. Er veranschaulicht die bescheidene Landschaft, den schmucklosen Ort und das einfache Leben, welches auf den Grundfesten von gefügiger Genügsamkeit und roher Abenteuerlust steht.
Das Ende des Romans lässt einen etwas ratlos zurück, was allerdings auf die ungeklärten Ereignisse aus der Vergangenheit zurückzuführen ist. Dieser Eindruck schmälert das Gesamtwerk nicht. "Weiße Finsternis" bietet eine spannende Geschichte und regt dazu an, selbstzuständig zu den historischen Fakten zu recherchieren. Es ist ein packender, literarischer Abenteuerroman, der auf jeden Fall nachhallt.
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Hi Nicole,
AntwortenLöschendas Buch ist direkt mal auf meine Wunschliste gewandert - ich bin immer noch im Eisfeiber (und auch im Bergsteiger-Modus...).
LG Sabine
Hallo Sabine,
Löschenhier haben wir aber nur Eis und keinen Berg. XD Aber es ist ebenso ein kaltes Leseerlebnis und auch recht interessant, weil es eben auf dem wahren Verschwinden der beiden Männer basiert.
Liebe Grüße
Nicole